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Frische Brötchen zur Saure-Gurken-Zeit
Die Brötchen haben sich schnell abgekühlt. Zu Beginn der Woche hieß es, Bundespräsident Christian Wulff lasse sich seine Frühstücksbackwaren aus dem heimischen Hannover ins Berliner Schloss Bellevue liefern. Die Berliner Bäcker-Innung geriet in Wallung, Naturschützer ereiferten sich ob der überflüssigen Umweltverschmutzung.
Berlin . Die Brötchen haben sich schnell abgekühlt. Zu Beginn der Woche hieß es, Bundespräsident Christian Wulff lasse sich seine Frühstücksbackwaren aus dem heimischen Hannover ins Berliner Schloss Bellevue liefern. Die Berliner Bäcker-Innung geriet in Wallung, Naturschützer ereiferten sich ob der überflüssigen Umweltverschmutzung.
Der Hannoveraner Traditionsbäcker Jochen Gaues beliefert Schloss Bellevue schon, seit Roman Herzog dort als Staatsoberhaupt residierte. Zu seinen Kunden zählen auch das Berliner Luxus-Hotel Adlon und nach eigenen Angaben insgesamt drei von neun Drei-Sterne-Michelin-Häuser in Deutschland.
Es würden keine Schrippen von Hannover nach Bellevue geliefert, sagt Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker der Nachrichtenagentur . Zu offiziellen Anlässen ordere der Küchenchef des Schlosses lediglich gelegentlich auch Brot aus Hannover. Wulffs vermeintlicher Lokalpatriotismus am Frühstückstisch - ein klassisches Thema im Sommerloch.
Das Sommerloch ist ein Medienphänomen. Bei Journalisten auch als Saure-Gurken-Zeit bekannt, mangelt es in der warmen Jahreszeit an aktuellen Themen. Die politischen Akteure der ersten Reihe befinden sich im Urlaub, der Bundestag ist in der parlamentarischen Sommerpause.
In Ermangelung relevanter Inhalte kann ein zerbrochener Blumenkübel vor einem Seniorenheim im Münsterland schnell tagelang zum Objekt bundesweiter Berichterstattung werden. Kaiman Sammy hielt das Land Mitte der 90er als vermeintliches Riesenkrokodil im Baggersee in Atem, Klatsch und Tratsch rücken Jahr für Jahr von der letzten auf die erste Seite.
Vor allem Themen mit einem oberflächlich politischen Anstrich schaffen es im Sommerloch aus Mangel an Alternativen schnell auf die Titelseiten der Zeitungen. Die Halbwertzeit der Geschichten währt dabei meist nur wenige Tage: Die Eingemeindung von Mallorca als 17. deutsches Bundesland, die von der damaligen Kandidatin für den CSU-Vorsitz, Gabriele Pauli, vorgeschlagene Begrenzung der Ehe auf sieben Jahre oder die Forderung der Bundestags-Kinderkommission, Überraschungseier wegen der Kombination aus Nahrungsmitteln und Spielzeug zu verbieten - nichts davon trat jemals ein.
«Sommerloch-Geschichten unterteilen sich in drei Kategorien», sagt Medienpsychologe Jo Groebel. Neben den Großereignissen, die auch zu anderen Jahreszeiten in die Medien kämen, seien immer wieder Gerüchte und Legenden wie das Ungeheuer von Loch Ness gefragt. Den größten Teil nähmen aber sogenannte leichte Themen ein. Beim Blumenkübel etwa sei es «die Lust am Banalen», die das Thema über Tage aktuell halte.
«Eine Geschichte im Sommerloch braucht die Personalisierung, sie muss weitergeführt werden können und Emotionen wecken», erklärt Groebel. Reale Ereignisse würden aufgeblasen, da beherrsche Lothar Matthäus- Privatleben statt einiger Tage gleich über Wochen die Schlagzeilen des Boulevards.
Die angebliche Brötchen-Affäre des frisch gebackenen Bundespräsidenten war nicht dessen erste Sommerloch-Erfahrung. Bereits im Juli wurde berichtet, Wulff habe mit Frau und Kind kurz nach seinem Amtseid auf Mallorca in einer Millionenvilla des befreundeten AWD-Managers Carsten Maschmeyer geurlaubt. Wulffs Sprecher beschwichtigte, der Präsident habe die Unterkunft selbst bezahlt und sei mit einem Charterflieger auf die Urlaubsinsel gereist, die - hätten Sommerloch-Themen eine Zukunft - längst zu Deutschland gehören könnte.
«Die Berichterstattung über Wulff ist in seinem sozialen Kontext zu sehen, der sehr kritisch beäugt wird», sagt Groebel. Alles, was mit Urlaub und Neid zusammenhänge, eigne sich für das Ausfüllen des Sommerlochs, denn: «Wenn der Bundespräsident in einer Nobelvilla Urlaub macht, kann man sich auf dem Campingplatz hervorragend darüber aufregen.»
Redaktion DD-INside.com
Berlin . Die Brötchen haben sich schnell abgekühlt. Zu Beginn der Woche hieß es, Bundespräsident Christian Wulff lasse sich seine Frühstücksbackwaren aus dem heimischen Hannover ins Berliner Schloss Bellevue liefern. Die Berliner Bäcker-Innung geriet in Wallung, Naturschützer ereiferten sich ob der überflüssigen Umweltverschmutzung.
Der Hannoveraner Traditionsbäcker Jochen Gaues beliefert Schloss Bellevue schon, seit Roman Herzog dort als Staatsoberhaupt residierte. Zu seinen Kunden zählen auch das Berliner Luxus-Hotel Adlon und nach eigenen Angaben insgesamt drei von neun Drei-Sterne-Michelin-Häuser in Deutschland.
Es würden keine Schrippen von Hannover nach Bellevue geliefert, sagt Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker der Nachrichtenagentur . Zu offiziellen Anlässen ordere der Küchenchef des Schlosses lediglich gelegentlich auch Brot aus Hannover. Wulffs vermeintlicher Lokalpatriotismus am Frühstückstisch - ein klassisches Thema im Sommerloch.
Das Sommerloch ist ein Medienphänomen. Bei Journalisten auch als Saure-Gurken-Zeit bekannt, mangelt es in der warmen Jahreszeit an aktuellen Themen. Die politischen Akteure der ersten Reihe befinden sich im Urlaub, der Bundestag ist in der parlamentarischen Sommerpause.
In Ermangelung relevanter Inhalte kann ein zerbrochener Blumenkübel vor einem Seniorenheim im Münsterland schnell tagelang zum Objekt bundesweiter Berichterstattung werden. Kaiman Sammy hielt das Land Mitte der 90er als vermeintliches Riesenkrokodil im Baggersee in Atem, Klatsch und Tratsch rücken Jahr für Jahr von der letzten auf die erste Seite.
Vor allem Themen mit einem oberflächlich politischen Anstrich schaffen es im Sommerloch aus Mangel an Alternativen schnell auf die Titelseiten der Zeitungen. Die Halbwertzeit der Geschichten währt dabei meist nur wenige Tage: Die Eingemeindung von Mallorca als 17. deutsches Bundesland, die von der damaligen Kandidatin für den CSU-Vorsitz, Gabriele Pauli, vorgeschlagene Begrenzung der Ehe auf sieben Jahre oder die Forderung der Bundestags-Kinderkommission, Überraschungseier wegen der Kombination aus Nahrungsmitteln und Spielzeug zu verbieten - nichts davon trat jemals ein.
«Sommerloch-Geschichten unterteilen sich in drei Kategorien», sagt Medienpsychologe Jo Groebel. Neben den Großereignissen, die auch zu anderen Jahreszeiten in die Medien kämen, seien immer wieder Gerüchte und Legenden wie das Ungeheuer von Loch Ness gefragt. Den größten Teil nähmen aber sogenannte leichte Themen ein. Beim Blumenkübel etwa sei es «die Lust am Banalen», die das Thema über Tage aktuell halte.
«Eine Geschichte im Sommerloch braucht die Personalisierung, sie muss weitergeführt werden können und Emotionen wecken», erklärt Groebel. Reale Ereignisse würden aufgeblasen, da beherrsche Lothar Matthäus- Privatleben statt einiger Tage gleich über Wochen die Schlagzeilen des Boulevards.
Die angebliche Brötchen-Affäre des frisch gebackenen Bundespräsidenten war nicht dessen erste Sommerloch-Erfahrung. Bereits im Juli wurde berichtet, Wulff habe mit Frau und Kind kurz nach seinem Amtseid auf Mallorca in einer Millionenvilla des befreundeten AWD-Managers Carsten Maschmeyer geurlaubt. Wulffs Sprecher beschwichtigte, der Präsident habe die Unterkunft selbst bezahlt und sei mit einem Charterflieger auf die Urlaubsinsel gereist, die - hätten Sommerloch-Themen eine Zukunft - längst zu Deutschland gehören könnte.
«Die Berichterstattung über Wulff ist in seinem sozialen Kontext zu sehen, der sehr kritisch beäugt wird», sagt Groebel. Alles, was mit Urlaub und Neid zusammenhänge, eigne sich für das Ausfüllen des Sommerlochs, denn: «Wenn der Bundespräsident in einer Nobelvilla Urlaub macht, kann man sich auf dem Campingplatz hervorragend darüber aufregen.»
ddp - Bild © ddp
geschrieben am: 15.08.2010Redaktion DD-INside.com
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