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Die Chemnitz wütete ähnlich wie 2002

Chemnitz am Sonntagmittag: Wo sonst auf der Annaberger Straße entlang dem Chemnitzfluss der Verkehr wogt, herrscht gespenstische Ruhe. Ein Feuerwehrtrupp braust die verschlammte Fahrbahn ab, hin und wieder fahren Kleintransporter mit diversen Gerätschaften in Richtung Süden, ein paar Schaulustige zu Fuß oder mit dem Fahrrad stehen am Ufergeländer.

Chemnitz . Chemnitz am Sonntagmittag: Wo sonst auf der Annaberger Straße entlang dem Chemnitzfluss der Verkehr wogt, herrscht gespenstische Ruhe. Ein Feuerwehrtrupp braust die verschlammte Fahrbahn ab, hin und wieder fahren Kleintransporter mit diversen Gerätschaften in Richtung Süden, ein paar Schaulustige zu Fuß oder mit dem Fahrrad stehen am Ufergeländer. 24 Stunden zuvor war das Flüsschen, dem Chemnitz seinen Namen verdankt, ein reißender Strom gewesen. Zwei Tage anhaltende Niederschläge vor allem im Gebiet der Quellflüsse Würschnitz und Zwönitz hatten am Samstag in Chemnitz ein Hochwasser wie zur Jahrhundertflut 2002 verursacht.

«Der Höchststand lag etwa zehn Zentimeter über 2002», sagt Karsten Niejahr und zeigt auf die dunkle Linie in halber Höhe des Souterrains der Grundschule Harthau. In dem Chemnitzer Stadtteil war am Samstag die Einschulungsfeier ausgefallen, weil das Gebäude nicht erreichbar war. Die direkt davor fließende Würschnitz hatte sich hier, ein paar hundert Meter vor dem Zusammenfluss mit der Zwönitz, über Gärten, Straßen und Schulgelände ausgebreitet. «Am Dienstag wollen wir wieder öffnen, die Feier wird auf jeden Fall nachgeholt», sagt Hausmeister Niejahr. Er hatte sich erstmals am Samstagnachmittag über Hof und Garten den Weg ins Schulhaus gebahnt. So schnell, wie das Wasser gekommen sei, sei es abgeflossen, sagt er.

«Es gab keine Vorwarnung», fügt Niejahr bei schönstem Sonntagmittag-Sonnenschein hinzu. Beim Aufräumen helfende Eltern, Lehrer und Feuerwehr hätten sich jetzt eine Pause verdient. Wie groß der entstandene Schaden sei, könne er noch nicht sagen. «Werkräume, das Schnitzer-Zimmer, der Jugendclub - alles hin», sagt der Hausmeister aber.

Weiter flussabwärts, im Gewerbepark Europark, dröhnen Benzinpumpen und -gebläse. Aus vielen Eingängen der ehemaligen Baumwollspinnerei werden Büromöbel, Maschinen und Akten ins Freie getragen, alles ist klamm und schmutzig. Seine eigenen Drucksprüher kann Ralf Förster, Inhaber einer Reinigungsfirma, ohne Strom nicht in Betrieb nehmen, also muss von Hand geputzt werden. Förster hat erst kürzlich neue Büroräume an seine Werkstatt angebaut. Die hinter dem Europark entlang fließende Chemnitz hat am Samstag alles niedergewalzt. Er hoffe, dass den nach 2002 zweiten großen Schaden wenigstens teilweise die Versicherung trage, sagt er.

«Vor 14 Tagen wurde hier eine Schutzwand aus Betonelementen abgerissen. Die hätte das Wasser abgehalten», sagt der Unternehmer. Die dafür Zuständigen müssten zur Verantwortung gezogen werden. Der Abriss sei zu diesem Zeitpunkt völlig grundlos gewesen, da der Bau neuer Hochwasserschutzanlagen am Chemnitz-Oberlauf erst im kommenden Jahr beginnen solle.

Unweit des Europarks wartete Brigitte Reichel bis zum Sonntagmittag vergeblich auf Hilfe. Die Rentnerin wohnt in einem der ältesten Häuser von Altchemnitz, das kniehoch abgesoffen war. «Ich habe seit mehr als 24 Stunden keinen Strom und kein Telefon und weiß nicht, wie ich alleine das Haus in Ordnung kriegen soll. Zweimal waren sie schon da und haben Hilfe versprochen, aber es tut sich nichts», klagt sie. Auch sie kritisiert, dass das Wasser von der Seite gekommen sei, wo die Mauer weggerissen wurde.

Als schließlich erneut der Feuerwehr-Weinsatzleiter vorbeikommt, teilt er mit, dass Brigitte Reichel in Abstimmung mit dem Sozialamt evakuiert werde. In dem Haus könne vorerst niemand wohnen. Bisher habe er zwei derartige Fälle entschieden.

Von den Stromausfällen betroffen waren am Sonntagnachmittag noch weniger als 1000 Haushalte in den Stadtteilen Erfenschlag, Altchemnitz, Harthau und im Zentrum. Mitarbeiter der Stadtwerke waren an allen Stellen tätig. Vielfach seien jedoch Hausinstallationen defekt, um deren Instandsetzung sich die Eigentümer selber kümmern müssten, hieß es vom Versorger.

Ebenfalls hielten am Sonntagnachmittag noch Straßensperrungen in einigen Stadtteilen an. Der Straßenbahnverkehr auf der Annaberger Straße sollte bis mindestens Sonntagabend eingestellt bleibe. Die Citybahn nach Stollberg werde mindestens bis Montagabend nicht fahren, teilte die Stadtverwaltung mit.



ddp - Bild © ddp

geschrieben am: 08.08.2010
Redaktion DD-INside.com


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