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Dresden gedenkt der Ermordung Walther Rathenaus vor 100 Jahren

Gedenkveranstaltung am 24. Juni 

Zusammen mit der Jüdischen Gemeinde zu Dresden und dem Verein DenkMalFort! e. V. ? Die Erinnerungswerkstatt Dresden richtet die Stadt Dresden am Freitag, 24. Juni 2022, um 11 Uhr eine Gedenkveranstaltung anlässlich des 100. Jahrestages der Ermordung des Industriellen, Intellektuellen und Politikers Walther Rathenaus aus. Im Gemeindezentrum der Jüdischen Gemeinde spricht Oberbürgermeister Dirk Hilbert über die Gefahren von rechtsradikalen Ideologien für eine lebendige Demokratie. In einer weiteren Rede widmet sich Dr. Wolther von Kieseritzky vom Archiv des Liberalismus Gummersbach der historischen Einordnung Rathenaus in die deutsche Demokratiegeschichte. Schülerinnen und Schüler des Marie-Curie-Gymnasiums Dresden gestalten eine Lesung zu den Reaktionen auf den Rathenau-Mord in Deutschland und Dresden. Der Synagogenchor und Thomas Strich mit seinem Akkordeon umrahmen das Programm.

Wer war Walther Rathenau?

Walther Rathenau, Sohn des AEG-Gründers Emil Rathenau, wurde am 29. September 1867 in Berlin geboren. Nach einem Studium der Philosophie, Chemie, Physik und des Maschinenbaus übernahm er ab 1893 verschiedene leitende Positionen in der AEG. Von Beginn des Ersten Weltkrieges an bis März 1915 leitete er die von ihm angeregte, neu eingerichtete Kriegsrohstoffabteilung im Kriegsministerium. Darüber hinaus beteiligte er sich mit mehreren Denkschriften an der Kriegszieldiskussion. Seine Rolle als Kriegswirtschafts-Stratege brachte ihm nach 1918/19 das Misstrauen der politischen Linken, aber auch gemäßigter Politiker ein. Nach dem Ersten Weltkrieg verfasste Rathenau, der sich der neugegründeten Deutschen Demokratischen Partei (DDP) anschloss, wirtschafts- und gesellschaftspolitische Schriften. 1921 zum Wiederaufbauminister im ersten Kabinett Wirth (Zentrum) berufen, gelang es ihm u. a., den Umfang der deutschen Reparationslasten zu verringern. Als Außenminister im zweiten Kabinett Wirth (ab 1. Februar 1922) war er u. a. für den Rapallo-Vertrag verantwortlich, der als Beginn einer stärker nach Russland orientierten deutschen Außenpolitik interpretiert wird. Gemeinsam mit dem 1921 von Rechtsextremisten ermordeten Finanzminister Matthias Erzberger (Zentrum) galt Rathenau als Protagonist der von Kritikern als "Erfüllungspolitik" verunglimpften Verständigungspolitik. Die Strategie, durch weitest gehende Erfüllung der Forderungen der Alliierten die Undurchführbarkeit des Versailler Vertrags zu beweisen, stieß auf erbitterten Widerstand konservativer und rechtsgerichteter Kreise. Deren aggressive Polemik richtete sich aber auch gegen Rathenaus jüdische Herkunft. Die völkische Opposition äußerte sich offen antisemitisch: So nannte ihn beispielsweise der ?Völkische Beobachter? im Frühjahr 1922 den ?Prototyp eines Börsen- und Sowjetjuden?. Bereits vor dem Untersuchungsausschuss des Reichstages zur deutschen Niederlage im Krieg bezichtigte das ehemalige Mitglied der Obersten Heeresleitung, Erich Ludendorff, Rathenau des ?Dolchstoßes?. Rathenau habe geäußert, so Ludendorff, dass die Weltgeschichte ihren Sinn verliere, wenn der Kaiser siegreich durch das Brandenburger Tor marschiere. Am 23. Juni 1922, einen Tag vor dem Mord, rechnete der Deutschnationale Karl Helfferich im Reichstag gnadenlosen mit der ?Politik der Erfüllung? ab. Er forderte, die Reichsregierung für ihre ?verbrecherische Politik?vor Gericht zu stellen?. Am Abend des 23. Juni 1922 soll Rathenau in einer Besprechung einen Kurswechsel in der Frage der deutschen Zahlungen an das Ausland und der Reparationsfrage angekündigt haben. Am folgenden Morgen trat Rathenau seinen Mördern trotz Warnungen vor einem Mordanschlag schutzlos gegenüber. Neun Schüsse wurden aus nächster Nähe auf den Außenminister abgefeuert, eine Handgranate detonierte im offenen Wagen. Rathenau starb wenige Minuten nach dem Anschlag.

Rathenau im kollektiven Gedächtnis?

Im kollektiven Gedächtnis der Deutschen hat sich der Mord an Rathenau bis heute eingeprägt, auch wenn die Nationalsozialisten nach 1933 versuchten, das Andenken an Rathenau auszulöschen, Straßen umbenannten und die Gedenkstätte in seinem Haus schlossen. Schulen, Straßen und Plätze tragen heute wieder seinen Namen. In Deutschland gibt es aktuell mehr als 300 Straßen und Plätze, die wieder nach Walther Rathenau benannt sind. Eine Instagram-Kampagne der deutschen UNESCO-Kommission, des Verein Weimarer Republik e.V. und der Walther-Rathenau-Gesellschaft möchte das unterstützen. Unter dem Hashtag #RememberRathenau sind Menschen aufgerufen, die Straßen und Plätze in ihrer Umgebung aufzusuchen und per Video oder Foto an Walther Rathenau zu erinnern. Auf diese Weise soll ein flächendeckendes Erinnern an den Industriellen, Intellektuellen und Politiker entstehen, der am 24. Juni 1922 von Rechtsextremen ermordet wurde. Genau 100 Jahre später soll sich Instagram mit Posts unter dem erwähnten Hashtag füllen.

geschrieben am: 22.06.2022
Redaktion DD-INside.com


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