INTERVIEWS

OASIS - DER SERGEANT WÄRE STOLZ

Die britische Band um die beiden Gallagher-Brüder gilt bekanntlich als erster Anwärter auf den Erbschein der Beatles. Mit ihrem neuen Album „Dig Out Your Soul“ sind Oasis mal wieder ordentlich in den Sixties-Sound abgetaucht und kümmern sich mehr um persönliche Vorlieben, als um kommerzielle Erfolgsstrategien. Außerdem hauen die Jungs ordentlich auf die Pauke – das kommt live natürlich am besten zur Geltung.

 

 

Musik ist für viele Songwriter ein Katalysator der Seele, der Versuch seinem inneren Selbst näher zu kommen. Für dich auch?


NOEL GALLAGHER: Mitunter. Menschen, die das Talent besitzen Musik zu machen, haben einen ungeheuren Drang nach Freiheit, wollen sich ausdrücken und nutzen es auf ganz verschiedene Arten. Das Innere nach Außen zu kehren, kann ganz bewusst geschehen.
Bei manchen in Songs über die Liebe, bei anderen über diesen verdammten Bush und das, was er im Irak macht. Egal was man auch schreibt, man drückt immer etwas damit aus. Ja, Musik ist ein Katalysator. Auch meiner.


Lass mal die Geschichten sehen, die wir auf dem Album finden: über deine Jugend, deinen Status als Rock-Star, das Leben in London und auf Tour unterwegs. Auch über deine psychedelischen Trips, die du als junger Mann hinter dich gebracht hast.


NOEL GALLAGHER: Glaub mir, ich bin heute nicht so sicher, ob alles was ich geschrieben habe wirklich eine Relevanz besitzt! (lacht) Und schon gar nicht, ob die Dinge, über die ich vor zehn Jahren geschrieben habe, auch heute noch eine gewisse Bedeutung besitzen. Aber ich find’s interessant.


Du hast vorab verraten „Dig Out Your Soul” klinge stellenweise wie „Strawberry Fields on fucking cheap bad acid”. Und es klingt tatsächlich nach der psychedelischen Phase der Beatles, in der sie damals reichlich mit Drogen experimentiert haben. Welche Drogen waren bei euch involviert?

 

NOEL GALLAGHER: (lacht) Ha, glaubst du, das würde ich dir jetzt verraten? Ich denke, ich habe in der Vergangenheit genug über Drogen gesprochen. Mehr brauche ich nicht, oder? Nur soviel: Drogen sind bei uns allgegenwärtig, in der einen oder anderen Form. Ich will jetzt auch niemanden persönlich ansprechen. Belassen wir’s am besten dabei.


Und wie war die Arbeit mit Liam im Studio? Normalerweise gibt’s doch immer irgendwelche kleinen Katastrophen. Es war diesmal sehr ruhig um euch, keine Skandale, keine Raufereien.


NOEL GALLAGHER: Soll ich ehrlich sein? Liam war auch so gut wie nie da. Er hat für dieses Album so gut wie nichts getan.

 

Immerhin singt er auf dem Album.


NOEL GALLAGHER: Ja, das muss er wohl getan haben – wenn ich nicht da war. (lacht) Ich hab ihn jedenfalls so gut wie nie gesehen. Aber er hat einen guten Job gemacht.


Stimmt es, dass Liam die neuen Songs gehasst haben soll?


NOEL GALLAGHER: Nicht wirklich. Wir hatten ein Band-Meeting, als Dave Sardy (der Produzent) zu uns kam und uns seine ersten Mixe vorstellte und uns seine Ideen dazu erklärte, es ein psychedelisches Album werden zu lassen – eben abgefahrene Sounds, coole Beats und all das. Wir hörten uns alle Songs an, und dann auch die, die Liam mitgebracht hatte. Am Ende maulte er, warum die Platte so komisch klingen würde und warum wir die Songs nicht so machen würden, wie wir es immer machen würden. Aber dann sagten wir: „Schau, Liam – wenn du ein paar Songs hast, die anders klingen, dann ist das kein Problem. Wir machen unsere Songs so wie wir wollen, du machst, was du willst. Und am Ende machen wir ein Album draus.“ Als sich dann am Ende abzeichnete, dass „Dig Out Your Soul“ doch sehr hart, knallig, laut und verrückt werden würde, waren wir froh, dass wir Liams „I’m Outta Time“ und „Soldier On“ hatten, bei denen die Fans mal durchatmen und sich zurücklehnen können.


Kurz nach den Aufnahmen habt ihr euch von Schlagzeuger Zak Starkey getrennt. Warum?


NOEL GALLAGHER: Das hat persönliche, familiäre Gründe, die er klären musste. Er braucht Zeit und wollte den Kopf dafür frei haben. Zak sagte uns, dass er die Tour noch für uns spielen würde, jedoch nur ungern. Aber was willst du mit jemandem, der nur mit dem halben Herzen dabei ist? Also haben wir ihn schweren Herzens ziehen lassen.


In der britischen Presse war zu lesen, du habest ihn gefeuert und ihr wäret im Streit auseinander gegangen.

 

NOEL GALLAGHER: Quatsch, das ist eben die britische Presse. Das Übliche halt: Der Drummer verlässt die Band, also hat’s einen Streit mit Noel gegeben. Aber ich bin’s gewohnt. Wenn ich der Presse sage, dass Zak aus persönlichen Gründen seinen Hut genommen hat, reicht das denen halt nicht für eine Story. Und mal ganz ehrlich: Streit? Dafür ist Zak ein zu netter Kerl, und ich bin ein Typ, mit dem man sich besser nicht anlegt. Alles klar? Aber auch das ist mir scheißegal, was die Presse draus macht.


Nun sitzt Chris Sharrock auf dem Hocker, den Liam angeblich nicht wollte, weil Chris bei Robbie Williams gespielt hat.


NOEL GALLAGHER: Nein, das war ein Scherz. Die meisten britischen Journalisten haben anscheinend keinen Humor mehr. Das war als Scherz gemeint und sollte auch so rüberkommen. Was sie draus gemacht haben war mal wieder alles zu verdrehen. Nein, der Einzige der jetzt angepisst sein dürfte, ist Robbie Williams. Aber auch das ist mir scheißegal.


Wie ist denn generell die Stimmung in der Band? Ihr macht nicht viel zusammen, oder? Eure Beziehung basiert scheinbar nur noch auf einer Arbeitsbasis.


NOEL GALLAGHER: Mehr ist da nicht, stimmt. Weder mit Liam, noch mit den anderen, um ehrlich zu sein. Ich sehe Gem öfters, wir machen schon mal was zusammen. Aber Andy lebt nicht in London und mit Liam häng ich sowieso nicht ab. Aber das ist cool
so, kein Problem. Das gibt mir eine gewisse Distanz zur Band, was ein gutes Gefühl ist, wenn ich Freizeit habe. Dann denke ich nicht die ganze Zeit dran, ein Popstar zu sein. Ich könnte auch nicht mit den Jungs auf Tour sein und danach mit ihnen in den Urlaub fahren. Das wäre ja Horror! Ich will meine Ruhe.


Und was machst du dann, um gut zu dir zu sein?


NOEL GALLAGHER: Ich glotze Fernsehen. Langweilig, oder? Vor allem Fußball. Und außerdem habe ich einen kleinen Sohn, der gerade mal zehn Monate alt ist, für den ich natürlich viel Zeit möchte. Ansonsten ärgere ich meine Freundin damit, dass ich nichts im Haushalt mache. Ich höre ´ne Menge Musik, schaue mir viele Bands an – ganz normales Zeug.


Da wir bei Zeit sind: Euer Album war schon früh fertig, ihr hattet euch extra Zeit freigehalten für die EURO 2008. Was habt ihr denn eigentlich so in der Zeit gemacht?

 

NOEL GALLAGHER: (schaut ganz böse) Das war echt ein Griff ins Klo, oder? Das Timing des Albums war im Hinblick auf unsere Fans extra so gelegt. Um mal demografisch zu denken: Die meisten unserer Fans schauen halt Fußball. Und genau das wollten wir auch – die EURO in Ruhe genießen. Nur hat leider das englische Team auch so gedacht. Na ja – besser so. Denn die meisten Spiele waren echt klasse. Da haben die englischen Fans mal gesehen, wie beschissen ihr Team eigentlich ist. Und dazu alle vier Jahre die gleichen blöden Sprüche: Dies sei das Jahr, wo wir den Cup gewinnen werden. Ich sag nur: Fuck, dann spielt mal lieber anständig!


TEXT: STEFAN WOLDACH

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