MANDO DIAO
Schweden, ein Königreich mit neun Millionen Einwohnern, davon gefühlte acht Millionen Musiker. Die fünf besten, coolsten und schönsten sind bei Mando Diao beschäftigt. Jetzt veröffentlicht das Quintett aus Borlänge sein fünftes Album und zieht dafür die Tanzschuhe an. Wir sprachen mit Sänger/Gitarrist Björn Dixgård und Schlagzeuger Samuel Giers über den Kampf mit den Dämonen, Songs für den Stripclub und die Potenz von Rockstars.
Ihr habt euer neues Album von dem schwedischen HipHop-Musiker Salla produzieren lassen und damit ähnlich verfahren wie eure Kollegen von The Hives, die mit Timbaland arbeiteten...
Björn Dixgård: Die Hives haben ja fast schon selbst HipHopgemacht! Wir haben nur Details vom HipHop geborgt, wie zum Beispiel Synthesizer oder einige Effekte. Man würde es vermutlich nicht mal hören, wenn man es nicht wüsste. Unsere Platte ist ein Rockalbum.
Samuel Giers: Aber auf den Sound der Platte hat die Zusammenarbeit schon Einfluss genommen. Die Art, wie die Songs zusammengesetzt wurden, war sehr retro. Doch die Stücke klingen viel moderner als beispielsweise der Garage-Sixties-Sound von unserem Debüt „Bring ‘Em In“. Das Schlagzeug klingt größer und fetter.
Dixgård: Alles ist sehr unverfälscht, absolut authentisch und voll auf den Punkt. Ich würde nicht das kleinste Detail wegnehmen wollen. Nicht mal mehr das heftige Atmen des Mädchens bei „Dance With Somebody“ (lacht)
Giers: Das klingt ja auch irgendwie sexy.
Es ist sowieso eine ziemlich sexy Platte geworden, wenn man sich ein Lied wie „High Heels“ anhört.
Dixgård: Oh ja, das ist schon fast ein sexistischer Song. Wenn das nicht in den Stripclubs rauf und runterläuft, bin ich echt enttäuscht.
Hast du das Stück geschrieben?
Dixgård: Nein, es kommt in der Hauptsache von Gustaf (Norén, neben Björn der zweite Sänger und Gitarrist von Mando Diao, Anm. der Red.). Wir schreiben zwar auf gewisse Weise jeden Song zusammen, aber bei der Nummer kann ich ihm den Buhmann zuschieben. (lacht)
Giers: Es war das erste Mal, dass Gustaf sich an so ein Thema traute. Man fühlt sich ja auch sicherer auf jedem Album, das man macht.
Dixgård: Ja, das gilt für uns alle. Es ist eine sehr entspannte Situation momentan. Wir haben eine etwas oberflächigere Sicht auf die Dinge. Wir nehmen die Musik immer noch ernst, aber wir gönnen uns heute Elemente, die nicht direkt ulkig sind, aber uns auf jeden Fall unbeschwerte Momente bescheren.
Deshalb eine Single wie „Dance With Somebody“, die im Titel an Whitney Houstons erinnert?
Dixgård: Anfangs hieß das Stück „Dance With Clarice“. Das ist ein fiktives Mädchen, das in einem Supermarkt arbeitet und von besseren Zeiten träumt. Aber der Titel war uns nicht deutlich genug. Es ist so ein mitreißendes Stück für die Massen, wir wollten damit wirklich die Welt umarmen und haben kommerziell gedacht. Eigentlich ganz untypisch für uns. Wir stehen auf merkwürdige Namen, deshalb heißen wir ja auch Mando Diao.
Keine Angst vor dem Ausverkauf?
Dixgård: Wir wertschätzen die Indie-Kultur genauso wie fast jeden Musikstil. Dennoch wollen wir unsere Musik so weit streuen wie möglich. Wir sind nicht gierig, aber wir mögen
unsere Musik so sehr, dass wir denken, jeder sollte sie hören. Überall. Außer vielleicht in Castingshows.
Giers: Ganz sicher werden wir auch niemals einen Song für einen McDonald’s-Werbespot machen. Aber so ziemlich alles andere. Wenn das Geld stimmt. (lacht) Oder wenn es darum geht zu helfen. Wir unterstützen öfter mal die Vereinten Nationen.
Dixgård: Und wir haben diesen Traum, einen Jugendclub in Stockholm oder Borlänge zu gründen. Wo junge Leute hinkommen können, Musik spielen und Ideen austauschen.
Die schwedische Regierung versteht einfach nicht, dass Kultur und Musik wichtig sind und viele Menschen vor Problemen bewahren. In den letzten Jahren haben sie solche Orte geschlossen, weil das Geld woanders hinfließt. Das ist echt traurig.
Kannst du etwas über den Song „You Got Nothing On Me“ erzählen, der ziemlich aggressiv klingt für Mando-Diao-Verhältnisse?
Dixgård: Ich war selbst überrascht darüber, speziell über den Text. In meinem Privatleben hatte ich mit einigen Problemen zu kämpfen, die ich selbst verursacht hatte. Da waren so viele Dämonen in meinem Kopf, die ich rauslassen musste. Dann dachte ich an andere Sachen, die ich nicht mag, z.B. Faschismus. Heraus kam ein rebellisches Lied, das wir mit viel Soul aufnahmen, aber das auch so hart klingt wie „War Pigs“ von Black Sabbath. Ich freu mich schon, den live zu spielen.
Bei eurer letzten Platte bekam man den Eindruck, dass ihr es etwas übertrieben habt mit dem Touren. Ihr wart so oft hier....
Dixgård: Ja, das Gefühl hatten wir auch. Den Shows fehlte es ein wenig an Energie. Wir hatten kaum Regenerationszeiten und keine Möglichkeit, uns neu zu erfinden. Wir lieben die Liveshows. Aber anstatt 200 Konzerte im Jahr zu spielen, sollten künftig 100 Gigs reichen. Dieses ist auch das erste Album, an dem wir ganze sechs Monate arbeiteten. Das war ein gesunder Break für uns, mal ein normales Leben in Stockholm zu führen und einen Nine-to-Five-Job zu machen.
Wie passend für einen Frischvermählten! Wie war denn die Hochzeit?
Giers: Selbst die war eine Show in einem unglaublich schönen Theater in Stockholm! (lacht)
Dixgård: Meine Frau und ich sind keine Christen. Auch wenn wir jeden respektieren, der an Gott glaubt. Deshalb wollten wir es anders machen. Ich packte mich in den Smoking, wir luden all unsere Freunde ein, die auch Musik machen. Da war natürlich unsere Band, Johnossi, meine Schwester und Eltern. Und sie alle spielten verschiedene Liebeslieder. Es war ein großartiges Privatkonzert! Ich kann jedem nur wärmstens empfehlen, zu heiraten. Allein schon der Party wegen.
Interview: Katja Schwemmers
Foto: Universal / Erik Weiss