FacetoFace mit Dendemann
Dendemann – „Ich mache keine Punkrock-Platte“
Manchmal stimmt es eben doch: gute Dinge brauchen ihre Zeit. Im Fall von einem der aufregendsten Wortakrobaten des deutschen HipHop, Dendemann, und seinem ersten Album „Die Pfütze des Eisberges“ waren dies genau drei Jahre. Nachdem Dendemann, der vor allem unter dem Namen des HipHop-Duos Eins Zwo mit DJ Rabauke bekannt wurde, sich im Jahr 2003 von seinem Partner getrennt hatte, setzte er mit der EP DasSchweigenDilemma im selben Jahr noch ein letztes Zeichen. Doch anstelle seines angekündigten ersten Albums hörte man Dendemann in den kommenden Jahren nur hier und da auf verschiedenen anderen Veröffentlichungen: von einem Album keine Spur. Doch Ende 2006 ist es dann soweit und Dendemann veröffentlicht unter dem Titel „Die Pfütze des Eisberges“ sein erstes Album und macht deutlich, dass einer der größten Geschichtenerzähler im deutschen Rap eigentlich nie wirklich weg war. Dendemann knüpft genau da an wo er aufgehört hat: mit unverkennbar kratziger Stimme bewegt er sich lyrisch und raptechnisch auf hohem Level über die Beats und man verzeiht ihm gern die drei Jahre in denen es eher ruhig um ihn war. Am 09.02.2007 ist Dendemann in der Scheune zu Gast. Aus diesem Grund sprachen wir mit ihm über Pfützen und Eisberge, über Windpocken die eigentlich gar keine sind und über fragwürdige Top-Ten Rapper.
Ursprünglich sollte die EP DasSchweigenDilemma die Leute auf dein erstes Solo-Album heiß machen. Nun hat es drei Jahre gedauert bis dieses erschienen ist. Was war der Grund?
Ich könnte natürlich sagen: och, bei mir dauert das halt immer ein bisschen. Aber immer wenn ich das sage, habe ich das Gefühl mir ein bisschen Unrecht zu tun. Denn eigentlich habe ich bei diesem Album recht zügig gearbeitet. Das schreiben von Texten funktioniert bei mir zum Beispiel mittlerweile viel schneller als früher. Was aber zu der etwas längeren Pause beigetragen hat war, dass ich so ein musikalisches Schlüsselerlebnis brauchte um mit der Arbeit am Album zu beginnen. Ich merkte, dass der musikalische Einfluss den ich bei Eins Zwo hatte und der da sehr hoch gewesen war, mir im Bezug auf das Album ein bisschen zum Verhängnis wurde. Die EP DasSchweigenDilemma zum Beispiel ist für mich bis heute vom Sound her eine klare Eins Zwo Platte. Aber ich brauchte für mein Album einfach fremde Musik die nicht nach mir oder Eins Zwo klang. Dieses Erlebnis hatte ich dann bei dem Endlich Nichtschwimmer Instrumental von Jansen und Kowalski und die Arbeit am Album begann.
Was steckt hinter dem Titel des Albums „Die Pfütze des Eisberges“?
Der Pessimist sagt die Spitze. Der Optimist sagt das Glas ist halbvoll. Der Realist sagt, es ist nur eine Pfütze. Außerdem bin ich ja auch eine Wassergeburt – deswegen auch mein Flow (lacht). Aber die Wahrheit ist, diese Antwort musste ich mir erst im Nachhinein überlegen. Das Album sollte nämlich eigentlich Die Fürze des Eisbären heißen. Der Grafiker hat da einen kleinen Fehler gemacht. Aber als ich es bemerkt habe war alles schon im Presswerk. » Wie war es mit den Texten des Albums. Sind das Texte der letzten Jahre oder gab es nach dem Ende von Eins Zwo dann irgendwann den Punkt an dem etwas Neues kommen wollte und mit einem Mal war sie wieder da, die Inspiration zum schreiben?
Größtenteils sind es sehr zeitnahe Geschichten aus den letzten anderthalb Jahren. Es gibt aber auch ein paar Ideen die schon älter sind. Ideen, die ich immer schon bringen wollte und einfach auf den richtigen Moment gewartet habe sie umzusetzen.
Du hast musikalisch bei deinem Album auf die Fähigkeiten von Jansen & Kowalski und die Audiotreats vertraut. War dir von vornherein klar, dass Du dich auf einen kleinen Kreis von Produzenten festlegen willst oder hat sich das eher zufällig entwickelt?
Zum einen hat sich das nach den ersten gemeinsamen Arbeiten einfach so ergeben und zum anderen bin ich auch nicht wirklich ein Freund von diesen ganzen Scheiben wo sich Rapper von da und dort Beats picken und dann alles über das Internet läuft. Es mag zwar gute Platten geben die auf solchem Weg entstehen, aber für mich war so ein Weg nie eine echte Alternative.
Auf deinem Album findet sich ein Feature mit keiner geringeren als der amerikanischen Soul-Diva Gwen Mccrae. Wie kam es zu dieser prominenten Zusammenarbeit?
Ganz einfach. Durch einen Zufall erfuhr ich das Gwen Mccrae in Hamburg spielen würde. Ich bin dann einfach zu ihrem Konzert gegangen und habe dort ihren Manager angesprochen. Der hat mich ihr dann vorgestellt und wir haben uns ziemlich gut verstanden. Später haben wir uns dann noch einmal in Hannover getroffen, hatten einen wunderschönen Nachmittag wo wir unter anderem zusammen das Stück Dende 74 aufgenommen haben. Es war auf jeden Fall einer der schönsten Studioaufenthalte bisher. Es gab einen Moment da dachte ich, ich bekomme Windpocken – letztendlich war es dann aber nur Gänsehaut.
Wie kommt es, dass Du auf deinem Album nur ein einziges Feature hast?
Das war nicht von vornherein so geplant. Ich denke aber trotzdem, das es heute viel zu viele Rapper gibt die sich mit überlangen Featurelisten auf ihren Alben schmücken. Allein das ist schon Grund genug es nicht genauso wie diese Menschen zu tun. Auch glaube ich, dass dieses name-dropping, also das Phänomen die angesagtesten Künstler auf der eigenen Platte haben zu müssen die Qualität der Songs unheimlich schmälert. Wenn diese gemeinsamen Stücke wenigstens das Level hätten sich wirklich als gemeinsame Songs anzuhören wäre das etwas anderes. Die Wirklichkeit ist aber: zwei Rapper verabreden sich auf einen Beat, nehmen in unterschiedlichen Städten auf und schicken es dann ins Studio in der dritten Stadt. Wenn man das den Songs nicht anhören würde, dann würde man, glaube ich, die Qualität der Stücke auch nicht so in Frage stellen.
Wie ist es, all die Jahre HipHop in seinen Formen und Ausprägungen miterlebt zu haben und nun mit gesundem Abstand beobachten zu können wie die heutige Generation HipHop entdeckt, entwickelt und für sich lebt?
Ende der 90er Jahre war für mich wirklich eine gute Zeit. Wir machten einfach unser Ding und mussten uns es nicht ständig auf die Fahne schreiben, dass wir HipHop machten und lebten. Heute muss ich sagen, dass ich wirklich froh bin und es gut tut das alles miterlebt zu haben. Ich möchte einfach kein Neuling sein in einer Sache wie HipHop die eine so herrliche Geschichte hat und so viel mehr zu bieten hat als ein bisschen herumgerappe. Und zu dem Heute im deutschen HipHop muss ich einfach sagen, dass ich mich früher sehr viel damit beschäftigt habe. Mittlerweile packe ich das aber einfach nicht mehr. Ich forsche nicht mehr so wie ich das früher getan habe sondern ich bekomme eher Sachen mit weil ich zur falschen Zeit am falschen Ort bin. Ich suche einfach nicht mehr nach dieser Musik um mir dann so dämliches Zeug anhören zu müssen wie es heute teilweise angesagt ist. Ich bin nicht enttäuscht oder verbittert. Mich stören auch die Inhalte teilweise gar nicht so weil ich denke, okay, das sind einfach Menschen die darüber sprechen müssen. Was mich vor allem stört ist das technische Level das da gefahren wird. Das erinnert mich erschreckend an 1995. Mit welchem Flow und welchem Style da zum Teil auf Top-Ten-Niveau gerappt wird wo wir uns eigentlich von verabschiedet hatten zu dem Zeitpunkt als wir dachten Platten veröffentlichen zu können.
Seit der Veröffentlichung des Albums ist ja nun schon etwas Zeit vergangen. Zeit für ein Fazit: welche Erwartungen hattest Du an dein erstes Solo-Album und haben sich diese Erwartungen erfüllt?
Ehrlich gesagt hab ich mich damit noch gar nicht so intensiv beschäftigt. Ich muss aber sagen, dass mir bei meinem Album diesmal einfach andere Dinge wichtig waren. Für mich war nicht die tolle Plattenkritik in irgendeiner Zeitschrift entscheidend. Ich hab mich eher mit der Frage beschäftigt was ich nach dem Album noch leisten kann als mich mit dem Inhalt von Kritiken zu beschäftigen wo jemand seinen Senf abgibt und darüber schreibt wie er meine Platte findet. Es ist einfach etwas passiert was eigentlich gar nicht so üblich ist. Normalerweise müsste man sagen, jemand, der so von Schulterklopfern verwöhnt ist was zum Beispiel Plattenkritiken angeht, braucht noch eine Krone mehr oder noch eine bessere Kritik. Mich hat das Ganze aber ehrlich gesagt eher entspannt. Das hat einen einfachen Grund: durch meine Abwesenheit bin ich quasi schon zur Alternative geworden im Vergleich zu dem was heute angeblich guter Rap ist. Was die Fanseite angeht glaube ich ist alles im Lot. Die Leute kommen zu den Konzerten, machen wenn sie rausgehen zwar einen verschwitzteren aber doch glücklicheren Eindruck als beim reingehen. Das ist eigentlich die beste Kritik die du bekommen kannst.
In jungen Jahren ist man als Künstler oft von dem Sound großer Vorbilder beeinflusst und entwickelt über die Jahre immer mehr seinen eigenen Stil. Würdest Du sagen, dass das aktuelle Album einen Dendemann zeigt, der musikalisch an einem gereiften Punkt angekommen ist oder gibt es in Dir noch diese Unruhe dieses und jenes noch tun zu wollen?
Es ist nach wie vor so, dass ich sehr viele Ideen in mir trage. Und das gibt mir auch ein sehr gutes Gefühl. Was das musikalische betrifft so habe ich schon immer unheimlich viele Ideen und Inspirationen gehabt. Nur ist das, was dann immer dabei herauskommt einfach HipHop. Die Einflüsse kommen einfach von überall her. Wirklich aus dieser Art der Musik auszubrechen und in andere Gebiete einzutauchen kann ich mir durchaus vorstellen. Aber ich werde auf keinen Fall demnächst mit einer Punkrock-Platte um die Ecke kommen (lacht).
Ist denn nach dieser Pause, diesem Abstand zur Zeit von Eins Zwo in Zukunft auch wieder musikalisch von dir als Produzent etwas zu erwarten?
Auf jeden Fall. Ideen sind da und Zeit ist da. Ich brauchte einfach mal so eine Zeit ohne diese Tetrisscheiße und ohne diese ganze Knöpfchenschieberrei. Für mein Album war das wie gesagt sehr wichtig da einfach einen neuen Input von anderen Musikern zu bekommen. Aber jetzt hab ich da wieder richtig Lust drauf.
Also hast Du dich gewissermaßen durch die Zeit von dem typischen Eins Zwo Sound weiterentwickelt zu einem neuen Sound?
Ich denke schon. Ich hab diesbezüglich auch einige Maßnahmen getroffen. Zum Beispiel habe ich alle alten Geräte von damals verscherbelt mit den ich bisher umgehen konnte. Das heißt ich muss vollkommen von vorne anfangen. Auch alle alten Beats hab ich komplett gelöscht.
Welche deutschen Künstler inspirieren dich denn aus dem deutschsprachigen Raum heute und welcher deutsche Song stand im letzten Jahr ganz oben auf deiner Liste?
Also Tanz der Moleküle von Mia. war einfach die perfekte Single im letzten Jahr. Ansonsten, Udo Lindenberg geht immer, Herbert Grönemeyer geht textlich auch immer, Farin Urlaub ebenso.
Alles klar. Danke für das Interview. Die letzten Worte gehören Dir!
Jeder der irgendwie für HipHop auch nur das Geringste übrig hat der kann sich am 9.2.2007 eine schöne kleine Kur verpassen lassen. Dieses Konzert wird eine HipHop-Wellness-Veranstaltung.
Gespräch und Interview : Martin Vejmelka