FacetoFace mit Jan Sun
Jan Sun verkörpert, wie kaum ein anderer DJ, die positiven Seiten von Exzess und Extase der Elektro und Techno Musik. Legendär sind die Sets des Dresdners, die nicht selten länger als sechs Stunden dauern. Robbi (Roberto Weinhold) Veranstalter der „Think Pink“ nennt ihn seinen „Lieblings- DJ“, die Presse und die Clubber feiern ihn als „neuesten Geheimtipp in der Dresdner Clubszene“. Die härtere Gangart von Techno ließ er schon zur Jahrtausendwende hinter sich und konzentrierte sich seither eher auf die sanfteren Klänge der elektronischen Musik, was man unschwer an seinen beliebten Mix-CDs hören kann. Das Bestreben, in Dresden eine Plattform für experimentelle tanzbare Musik zu schaffen, spiegelt sich auch in seinen Projekten exzellent wieder. Derzeit bastelt und schraubt er wieder im eigenen Studio an neuen Sachen, wobei er sich gemeinsam mit Alex Carbo und Little M aka Mike Dub auf eine elektronische aber groovige Reise begibt. Die Sounds erstrecken sich in ihrer ganzen Vielseitigkeit von dunklen, spacigen Klängen bis hin zur unbeschwerten Lässigkeit houseorientierter Musik, von minimal-pounding über herzerwärmend melodisch bis hin zu fetten Beats. Der begeisterte Clubgänger kann also schon mal gespannt sein…
Wie bist Du ins Nachtleben gekommen?
Als glückliches DDR-Kind durfte ich Mitte der 80er Jahre schon mit meinem großen Bruder und seinen Freunden auf diverse Diskotheken mit. Ich, damals mit 13-14 Jahren, war total Musikfanatisch veranlagt uns saugte besonders die geilen extended Mixe der damaligen Dancemusic wie ein Schwamm in mich auf. Ganz groß fand ich damals zeitgleich der lächerlichen NDW-Welle die clubbigen geilen Italo-Disco Sachen und natürlich Billy Idol, Bronski Beat, Depeche Mode, Michael Jackson, Frankie goes to Hollywood, Eurythmics und Erasure um hier nur einige u nennen. Schallplatten waren damals nicht erhältlich im Osten, so verbrang ich viele viele Stunden am Radio und tapte mit was irgendwie ging… wie gesagt besonders die Megamixe und Superlongversions waren oberhammerfett. Weil das alles sooo super geil war begann ich schon in der Schule die legendären „Schuldiskos“ zu organisieren und auch der Schulfunk in den Pausen war auf meinen Mist gewachsen. Ender der 80er wurde plötzlich der Sound immer elektronischer, Westbam, Kraftwerk, 16 Bit(Sven Väth) und auch das Acid-House Zeugs aus England schlugen voll ein …dann kam auch schon die „Wende“ und mein erstes Azubigehalt 1990 wurde komplett in Schallplatten umgesetzt. Welch ein Glück, denn ich kann heute auf eine wirklich umfangreiche Sammlung stolz sein. Mit ca. 20 Jahren stürzte dann endlich das Technofieber über Deutschland und mich inbegriffen her. Das BASE am Bischhofsplatz, die Fabrik auf der Hamburger und die Gasschleuse auf der Jägerstrasse waren meine beliebten Anlaufpunkte in Dresden. Man verstand sich ohne viel darüber zu reden und war auf einmal Teil einer völlig neuen Clubkultur. Als ob es erst gestern gewesen wäre erinnere ich mich mit weichen Knien an die Eröffnungsparty der neuen Planet Club-Location in Berlin… am 17.April 1993 öffneten sich die Tore des E-Werk in Berlin, mit DJ Cle. Fortan war ich freitags ein Berliner und dem Maraton-Tanz zur Dubmission verfallen. 1994 durfte ich das Prodigy Konzert und den legendären Auftritt von Laurent Garnier zur 1. Chromapark Techno Art Exhibition erleben. X-Mix 2 hat er damals gemixt …wisst ihr? Mann ich bekomme immer noch Gänsehaut
Wo auf der Welt fühlst Du Dich am wohlsten?
Na, wenns die Dubmission im E-Werk noch gäbe, dann sicher dort, schon wegen der Männer ;-) …heute bin ich gern im Berghain mit Freunden. Stundenlang tanzen hält jung und ich denke auch fit, ich gebs zu, das ist fast mein einziger Sport. Wenn ich mal mit meinem Mann Urlaub mache, dann fast immer auf La Gomera. Dort hausen wir immer ohne Hotelzimmer einfach am Strand und laufen den ganzen Tag nackt herum. Solche Orte gibt’s nicht viele auf der Welt. Nette Leute aus allen Ländern trifft man da, kocht, isst und schläft gemeinsam in einer großen WG-Höhle. Einfach genial…
Wie siehst Du die Entwicklung der elektronischen Musik in Dresden?
Lange Zeit hat mich das gar nicht interessiert, wobei die vielen Künstler und DJs daran wohl keine Schuld haben. Viel mehr gebe ich den Veranstaltern dafür die Schuld. Alle guten Locations wurden, aus welchem Grund auch immer, immer mehr zu Diskotheken und die Pattform für neue innovatieve Musik musste den chicen Lounges und Disco-House Fuzzies weichen. Dabei spielt halt leider immer wieder das Geld eine Rolle. Ich distanziere mich davon und nehme gern die lange Autofahrt in andere Metropolen in Kauf. Aber seit einem Jahr verspüre ich irgendwie frischen Wind in Dresden. Es gibt Gott sei dank einige Leute mit gutem Geschmack und Kraft, die sich gegen die Party- und Eventmaschinerie positionieren und immer wieder wirklich nette Aktionen auf die Beine stellen. Respect!
Gibt es Entwicklungen in der Clubszene die Dich tierisch annerven?
Nicht wirklich. Ich fühle mich als Teil der Clubszene, habe viel erlebt und gesehen. Ich beobachte im Moment im Gegenteil sehr erfreut, dass viele Leute heute die Nacht durchfeiern können ohne jegliche Art von Drogenkonsum. Das ist eine schöne Entwicklung, es bleibt einfach viel mehr Raum für Kommunikation und Community.
Gibt es einen Lieblingsclub in dem Du einfach gerne auflegst?
Das ist nicht schwer zu beantworten. Die Alte Spinnerei auf der Strasse E in der auch die „Think Pink“ stattfindet ist nach wie vor Kult, auch bei The Fire, am CityBeach von der Showboxx und im Alten Wettbüro fühle ich mich sehr wohl. Es gäbe da sicher noch ein paar Locations wo ich gern mal drehen würde, doch da ich eher ein ruhiger und zurückhaltender Typ bin und mich niemandem aufdrängen möchte wird es sicher bei einigen wenigen in Dresden bleiben. Aber ich bin für Neues immer zu haben und freu mich auf das was noch kommt.
Was ist an musikalischem Output in den nächsten Monaten von Dir zu erwarten?
Auf jeden Fall sehr melodische und minimale Techno-Sets und wenn alles gut läuft im Winter oder spätestens in Frühjahr 2007 eine Platte. Ich lass mich da von nichts drängen. Eins kann ich schon mal vorweg sagen, Mike Dub und Alex Carbo werden jeweils einen Mix machen.

Einige Menschen verbinden mit bestimmten Musiknummern ganz besondere Momente und die damit verbundenen Gefühle. Gibt es in Deinem Leben auch Musikstücke, die Du mit besonderen Erlebnissen verbindest?
Da gibt es viel zu viele Stücke, auf einigen hatte ich einen besonders geilen Fick mit einem besonders geilen Kerl und auf anderen wieder eine super fette Feier. Aber ein bestimmter Sound hat es mir angetan, ihr kennt evtl. die schwebenden leichten Klänge der Kultscheibe „Maurizio03 – Domina“ oder die anderen „Basic Channel“ und „Chain Reaction“ Platten? ’n must have!
Was möchtest Du noch erreichen?
Ich möchte mit meinem Freund zusammen alt werden und so viel wie möglich von der Welt sehen. Wenn ich könnte würde ich den Weltfrieden anzetteln und alle Waffen vernichten, aber leider ist das nur ein Traum…