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Stefan Bodzin || „Ich bin froh, nie Musik studiert zu haben“

Schon im zarten Alter von sechs Jahren drehte Stefan Bodzin lieber an musikalischen Gerätschaften, als sich mit Altersgenossen zwischen Tränen und Schweiß auf dem heimischen Bolzplatz das Schienbein einzurennen. Eine gute Entscheidung. Denn mittlerweile hat sich der Bremer einen festen Platz in der deutschen Technoszene gesichert und begeistert mit seinen völlig eigenständigen Klangwelten nicht nur eingefleischte Freunde elektronischer Tonkunst.

 

Du bist klassisch ausgebildeter Musiker. Was hast Du genau gelernt?
Ich habe ungefähr zehn Jahre intensiv klassisches Klavier, parallel etwa acht Jahre autodidaktisch Kontra- und E-Bass, und im Alter zwischen 17 und 20 bei einem hervorragenden Komponisten für Film- und Theatermusik, als Assistent, Komposition und Arrangement gelernt. Ich bin froh, nie Musik studiert zu haben. Man lernt durch ein Studium rein technisch und theoretisch sicher viel, auf der anderen Seite wird man jedoch bezüglich der kreativen Freiheit zu sehr in bestehende Rahmen gezwängt. So wird dann gerne mal verlernt, dass das, was nicht geht, eigentlich das Interessante sein könnte.


Auch Dein Vater ist Musiker. Hat er Dich früh an das Feld der Kunst und Musik herangeführt?

Ja das hat er. Ich bin mehr oder weniger im Studio bzw. in einem von Kunst und Querdenkern geprägten Umfeld aufgewachsen. Mein Vater war großer Kraftwerkfan und hat mich im Alter von sechs Jahren schon an Filtern und Modulatoren drehen lassen. Was ich übrigens lieber und öfter tat, als draußen Fußball zu spielen.


Du hast in der Vergangenheit Theaterstücke in ganz Europa vertont. Wie kam es dazu und welche Erfahrungen hast Du mitgenommen?
Mein Vater war mit besagtem Komponisten eng befreundet, welcher irgendwann vor lauter Aufträgen einen Assistenten suchte. Das war für mich der Anfang. Als er dann einen Autounfall hatte, kam der Sprung vom Assistenten zum Komponisten. Spontan musste ich eine komplette Produktion übernehmen und fertigstellen. Eigentlich tragisch. Aber hilfreich (lacht). Es folgten weitere Aufträge und ich begann an verschiedenen Theatern zu arbeiten. Irgendwann hatte ich es satt, Inhalte erst zu verstehen, nachdem ich mit dem total verkopften Regisseur die Zwei-Promille-Grenze überschritten, und im Delirium fantasiert hatte.


Du hast Dich dann also mehr in die Richtung des Produzenten entwickelt?
Ich hatte eigentlich immer den Wunsch, als Produzent im Studio alleine Musik zu entwickeln. Irgendwie war das seit je her mein Ding und hat mich vollständig ausgefüllt. Den Entertainer in mir entdeckte ich zu meiner großen Überraschung erst vor etwa zwei Jahren, als ich, aufgrund der hohen Nachfrage, mehr oder weniger hinter die Plattenteller gezwungen wurde. Heute genieße ich das Privileg, jedes Wochenende vor so vielen glücklichen Menschen meine Musik spielen und mit ihnen feiern und eine gute Zeit verbringen zu dürfen.


Deine Werke klingen immer sehr durchdacht, differenziert und vielschichtig. Wie gehst Du an die Produktionen heran?
Ich arbeite immer sehr spontan und tendenziell früh morgens. Gerne und regelmäßig wache ich mit dem dringenden Bedürfnis Musik machen zu wollen auf und lasse meinen Ideen einfach freien Lauf. Wenn ein Track nach zwei Tagen nicht fertig ist, schmeiße ich ihn meistens weg und fange etwas Neues an. Mir ist es wichtig, dass die Sachen immer frisch sind, wenn ich sie beende. Ich kann nichts konstruieren – es muss Spaß machen und mich in irgendeiner Form ergreifen.


Was inspiriert Dich in Deinem Schaffen?

Liebe, Naturwissenschaft, Landschaften, Bier. Kraftwerk, Moog, Miles Davis, Motörhead. Meine Frau, mein Sohn und viel Kaffee.


Wo ordnest Du Deinen Sound selbst ein und was steckt in ihm?

Herzblut. Und davon sehr viel.


Du legst großen Wert auf Authentizität im künstlerischen Schaffen. Was bedeutet das für Dich genau?

Das bedeutet, dass ich mir die Freiheit nehme, Musik so zu machen, wie es mir passt, und ich mich nur bedingt den Vorgängen am Markt – also dem, was nachgefragt wird – anpasse. Authentizität bedeutet mir, mich als Künstler und Person so zu verhalten und zu entwickeln, dass ich mir morgens guten Gewissens hallo sagen kann.


Gibt es Deiner Meinung nach gute und schlechte Musik?

Es ist wie mit einem Bild – ob es gut oder schlecht ist, hängt ausschließlich von der subjektiven Betrachtung des Einzelnen ab.


Du hast 2006 Dein eigenes Label Herzblut gegründet. Nur eine Plattform für Dich, oder was hast Du damit in Zukunft noch vor?

Nach den sehr erfolgreichen Veröffentlichungen von Superflu und Nicolas Masseyeff ist die Plattform ja nun schon geöffnet und nicht mehr ausschließlich nur meine Spielwiese. Natürlich kommen meine eigenen Produktionen auch weiterhin exklusiv über Herzblut raus, aber ich suche immer nach guter Musik, die gehört werden sollte. Es stehen neben meiner neuen Single ganz großartige Veröffentlichungen an: Superflu (Juni) und Florian Meindl (September). Herzblut wird also weiterhin für gute Musik stehen und sorgen.


Auf Deiner Website ist zu lesen, dass Dein Label die Bremer Kinderfußballmannschaft von Union 60 unterstützt. Was steckt hinter der Sache?

Mein Sohn Luka steckt hinter der Sache. Er spielt da im Sturm. Und wenn er im Herzblut-Trikot aufläuft, macht mich das echt glücklich (lacht).


Was sind die nächsten Projekte, bei denen Du Deine Finger mit im Spiel haben wirst?

Ende Mai ist meine aktuelle 12”-Single über Herzblut erschienen. Zu hören gibt es die Tracks Bremen-Ost und Station72. Des Weiteren arbeite ich momentan intensiv an der Veränderung meiner Liveshow und auch am nächsten Album, das gegen Ende des Jahres veröffentlicht werden soll – natürlich nur, wenn ich weiterhin so viele Ideen habe. Auch stehen jede Menge tolle Konzerte auf dem ganzen Planeten an, auf die ich mich extrem freue. Unter anderem auch in Dresden (lacht). Und übrigens: www.zeitgeistmovie.com.

 

Stefan, danke Dir für das Gespräch.

 

Stefan Bodzin, 28.06.2008, Fahrenheit100, www.stephanbodzin.de

 
Interview: Friedemann Schreiter

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