Hardy Hard || „Techno war die Musik der Befreiung“
Ein Gespräch mit dem deutschen Techno- und Elektropionier Hardy Hard, der in Dresden seine Karriere begann.
Du spielst bald wieder in Dresden. Wie ist es für Dich, in Deiner alten Heimat aufzulegen, wo damals alles begann?
Es ist immer wieder schön, in die Heimat zu kommen. Vor allem die Neustadt mag ich sehr. Obwohl es hier heute eigentlich viel sauberer und ruhiger ist, als ich es kenne. In meiner Erinnerung war die Neustadt damals ein Schmelztiegel voll junger Leute, Kreativer und Überlebenskünstler. Es war eine sehr chaotische Mischung von Menschen. Mittlerweile haben viele neue Läden aufgemacht. Ich muss unbedingt mal wieder zwei Tage einplanen, um alles auszukundschaften.
Gibt es heute noch die Clubs, in denen Du damals die ersten Platten aufgelegt hast?
Viele dieser Orte gibt es schon lange nicht mehr. Außerdem hat die heutige Partykultur nicht mehr viel gemeinsam mit dem, was wir damals erlebt haben. Es fehlt der Zauber des Neuen und Revolutionären. Es war ja auch eine Art Befreiungsschlag nach der Wende und man kann die Zeiten mit heute nicht vergleichen. Im Grunde herrschte damals eine Stimmung wie zehn Jahre Fußballweltmeisterschaft am Stück.
Wie war das damals kurz nach der Wende mit Techno im Osten?
Es lag etwas unglaublich befreiendes in der Luft, was durch diese, damals neue, Musik noch verstärkt wurde. Was sind die Menschen für Strecken gereist, nur um auf eine Party zu kommen. Techno war die Musik, die der Befreiung Ausdruck verlieh. Die Welt hat damals die Musik und die Musik die Welt verändert. Wir waren uns bewusst, dass wir die Zeugen einer großen Entwicklung sind und dachten in unseren Strobokellern, dass es ist nur eine Frage der Zeit ist, bis die Anderen es auch begreifen würden. Irgendwann waren zwei Millionen Leute auf der Loveparade und wollten an der guten Laune teilhaben.
An was denkst Du, wenn Du an die Anfänge Deiner Karriere denkst?
Dresden war für mich Rückblickend ein Ort, an dem unheimlich viele Sachen passiert sind, die mich bis heute beeinflusst haben. Wenn ich an die Zeit der Partys in der Musikfabrik in Pirna zurückdenke, muss ich schon schmunzeln. Wir haben damals eine wöchentliche, siebenstündige Radiosendung live aus dem Club über Radio Energy gesendet und jede Menge Unsinn über den Sender geschickt. Aber die Leute reden heute noch davon und fragen mich, ob ich noch Tapemitschnitte habe. Die damalige Technogeneration war eine der ersten, sich selbst organisierenden Gruppen. Hier mal ein neuer Club, da ein Plattenladen, ein Modelabel, ein Restaurant oder Open Airs am Baggersee. Da ging einiges. Die ganze Musik erfand sich alle zwei Wochen neu.
Ist das der Grund, warum viele Revivalpartys heute wieder einen so großen Zuspruch finden?
Es ist kein Wunder, dass diese ganzen Partys wieder funktionieren. Der Sound der 1990er war purer Spaß, Euphorie und Jugend. Damals wurde musikalisch noch sehr viel experimentiert und dabei oft eine Energie entwickelt, die heutiger Musik vielfach fehlt. Ich habe gehört, in Dresden soll es ja wieder Partys geben, auf denen genau der neunziger Ravesound noch einmal abgefeiert wird. Das ist lustig, denn ich spiele nun auch einmal jährlich auf einer Technoclassics Party zu Weihnachten in Dresden.
Du kommst als DJ viel in der Welt herum. Wie reagiert das internationale Publikum auf Dich?
Ich habe schon 1993 Platten veröffentlicht, die überall gespielt wurden. Man hat mich oft als einen Botschafter aus dem Zentrum der Techno-Entwicklung empfangen. Heute sind es immer mehr die eigenen Produktionen die ausschlaggebend dafür sind, wie ich im Ausland wahrgenommen werde. Meine Lieblingsländer sind Russland, Mexiko und Japan.
Du hast 2001 mit Africa Bambaataa unter dem Namen Sirius B einige gemeinsame Tracks veröffentlicht. Gibt es das Projekt noch?
Ich habe eine Menge angefangener Stücke von uns beiden auf meinem Rechner und arbeite das alles so nach und nach ab. Eines dieser Stücke ist „Shake it“, das ich nun zusammen mit Lady Waks fertig gemacht habe und welches demnächst in England erscheint.
Wie ist es um den deutschen Techno-Nachwuchs bestellt?
Guten Nachwuchs gibt’s leider nur in für mich uninteressanten Musikrichtungen wie zum Beispiel Rock, Pop, Minimal oder Schlager. Da gibt es wirklich ein paar neue Vorbilder. Ansonsten werden die neuen und visionären Sachen tatsächlich nach wie vor von alten Hasen gemacht. Es gibt schon ein paar Ausnahmen: Stanton Warriors, Evil Nine, Justice oder Bass Kleph, um nur einige zu nennen.
Gibt es Pläne für ein Leben nach der Musik?
Ein Leben nach der Musik – was soll das sein? Dann bin ich tot! Oder lebe ich etwa länger als die Musik? Vielleicht werde ich irgendwann mal auf die administrative Seite wechseln. Ich will in Zukunft ein Label gründen, Partys veranstalten, und weiter produzieren.
Gibt es aktuelle Projekte oder geplante Veröffentlichungen, über die Du ein paar Worte verlieren willst?
Zunächst machen Westbam, Lady Waks und ich eine neue Partyreihe mit dem Namen „Bassplanet!“, die in Berlin starten wird. Ansonsten bin ich extrem ausgelastet was Studiotermine und das rumreisen zu Konzerten betrifft. Das Projekt Urlaub ist daher das nächste, was ich mir vornehmen werde. Kommende Veröffentlichungen sind „Shake it“, auf Menu Music, neue Bassplanet-Remixes auf Westrecords/London und „Records Back“ mit Mr. X incl. Electrixx Remix und Hard Remix. Ein paar andere, neue Sachen werde ich wohl auf meinem eigenen, neuen Label irgendwann im Laufe des Jahres veröffentlichen
.
Ich hoffe, Du hast eine schöne Party in Dresden und ich bedanke mich für das Gespräch.
Interview: Friedemann Schreiter
Hardy Hard, 07.03.2008, Washroom Dresden