Alex Christensen :: „Ich spreche die Sprache der Straße“
Wahrlich, ein Kind von Traurigkeit ist er nicht, dieser Alex Christensen. Mittlerweile kann man ihm getrost einen Platz in den Büchern deutsch-elektronischer Musikgeschichte einräumen. Er hat sich in den rund 20 Jahren seiner Karriere als Solokünstler behauptet, international bekannte Namen wie Sarah Brightman oder Jose Carreras produziert und war dabei, als das Castingfieber die Musikbranche erreichte.
In jüngster Zeit machte Christensen wieder auf sich aufmerksam. Mit Ärschen, Doktorspielen und einer Dame, die den wohlklingenden Namen Y-ASS trägt.
Ärsche, Doktorspiele und Porno – was hat Dich bei den letzten drei Singles inspiriert?
Ich glaube es ist einfach die Sprache der Straße, die mich inspiriert hat. „Du bist so Porno“, wie die letzte Single ja heißt, ist so ein typischer Ausspruch, den man immer wieder hört. Er bedeutet nichts weiter, als das jemand toll, klasse oder geil ist. Als DJ bin ich noch immer viel auf den Straßen unterwegs. Da bekommt man eine Menge davon mit, was bei den Leuten so abgeht und welche Sprache sie sprechen. „Du bist so Porno“ ist mir schon ewig durch den Kopf gegangen, und irgendwann musste ich daraus einfach einen Song machen.
Die Single „Du hast den schönsten Arsch der Welt“ landete auf Platz 1 der Singlecharts. Hast Du damit gerechnet?
Rechnen kann man mit so etwas nie. Aber wenn ich meinen Namen auf solche CDs presse, gehe ich eigentlich davon aus, dass es auch relativ erfolgreich wird. Das der Song bis auf Platz 1 gehen würde kann man natürlich nicht vorhersehen. Diesen Erfolg habe ich vor allem auch den ganzen Klingeltönen zu verdanken, die sich die Leute auf die Handys geladen haben. Prinzipiell ist das immer Glückssache: Wenn Du den Zeitgeist triffst, dann hast Du auch Erfolg.
Dein aktuelles Album heißt „Euphorie“ und ist Anfang 2008 erschienen. Haben sich deine Erwartungen erfüllt?
Ganz ehrlich, da bin ich noch nicht so richtig zufrieden. Eigentlich könnte da noch viel mehr gehen. Ich denke, dass liegt auch daran, dass ich im Genre Dance aktiv bin. Dieses Zielpublikum ist eben eine sehr downloadfreudige Gemeinschaft. Wenn man das so betrachtet, hat sich das Album bestimmt 500.000-mal, im übertragenen Sinne, per Download verkauft. Aber davon habe ich im Endeffekt leider nichts.
Alle Titel hast Du mit Yasmin Knock (Y-ASS) aufgenommen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Yasmin wohnt, wie ich, in Hamburg. Wir haben schon 2002 und 2003 gemeinsame Projekte gemacht und sind seitdem gut befreundet. Da hat sich das irgendwann einfach so ergeben weil ich fand, dass ihre Stimme gut zu den Stücken passte.
Was erwartet den Hörer textlich und musikalisch auf dem Album?
Auf jeden Fall eine große Bandbreite. Wir haben Balladen und härtere Dancestücke. Textlich ist das Album komplett Deutsch, was für mich auch eine neue Erfahrung war. In der Sprache fühle ich mich sehr wohl und kann mich gut ausdrücken. Thematisch, glaube ich, ist das Album sehr nah dran an dem, was die Jugendlichen so berührt. Natürlich gibt’s auch eine ordentliche Portion Liebe und Sex auf die Ohren, wie man an den Singles sehen bzw. hören kann.
„Die Themen Liebe und Beziehung sind der rote Faden des Albums“, heißt es in einer Pressemitteilung. Ist das nicht etwas flach, Ärsche und Doktorspiele mit diesen Begriffen zu verbinden?
Ich finde nicht, dass das ein Widerspruch ist. Man kann doch über Körperteile genauso reden wie über andere Dinge auch. Schlimm finde ich es, wenn man über Waffen redet oder Leute diskriminiert. Aber der Arsch ist doch ein tolles Körperteil. Warum soll man darüber nicht sprechen. Ich sehe es eher so, dass ich die Begriffe Liebe und Beziehung, die vielleicht manchmal etwas groß daher kommen, in die Sprache der Straße übersetze. Insofern finde ich das nicht flach.
Du hast in der Vergangenheit viele bekannte Namen produziert. Gibt’s da etwas Neues?
Ich habe mich mittlerweile eigentlich voll und ganz dem selbst Künstler sein verschrieben. In diesem Jahr werde ich wohl keine anderen Künstler produzieren, sondern stürze mich jetzt erst einmal auf meine eigenen Sachen. Wenn man für andere Künstler produziert, dann ist das einfach viel zu zeitaufwendig, als das ich das mit meiner eigenen Karriere vereinen könnte.
Auf deiner Myspace-Site hast Du dich den Genres Pop, Klassik und Techno zugeordnet. Was steckt dahinter?
Ich bin ja der Herr des Chaos’. Ich habe Leute wie Jose Carreras, Paul Anka, Sarah Brightman und viele andere produziert. Darunter auch viele Künstler, die aus ganz anderen Genres kommen als ich selbst. Ich lasse mich einfach von allen Musikströmungen leiten. Mir macht es Spaß, zwischen den Genres hin und her zu springen und mich eben nicht festzulegen, um zum Beispiel nur der Techno-Guru zu sein. Diese Zeit hatte ich vor 17 Jahren, da war das auch ganz spannend. Aber auf die Dauer wird das langweilig.
Du warst 2001 selbst Mitglied der Jury von Popstars. Was denkst Du mittlerweile über solche Formate, die Stars am laufenden Band liefern wollen?
Das ist nur noch lächerlich. Da gibt’s ja mittlerweile Dopingkontrollen. Wenn nicht mal mehr erlaubt ist, dass die ab und zu einen kiffen, dann gibt’s ja überhaupt kein Rock’n’Roll mehr. Das ist dann so gradlinig und langweilig wie die deutsche Nationalmannschaft und hat mit Kunst nichts mehr zu tun. Die Leute, die am Ende einer solchen Castingshow herauskommen, haben überhaupt nichts Eigenständiges, keinen Charakter mehr. Vielleicht sollte man auch mal über ein Sexualverbot für Boygroups nachdenken, welches verbietet, mit anderen Frauen zu schlafen (lacht).
Gibt’s schon neue Projekte in nächster Zeit, über die Du ein paar Worte verlieren kannst?
Jetzt werden wir erst mal das aktuelle Album ordentlich promoten. Danach will ich mir mal eine kleine Pause gönnen, um Ideen für neue Projekte zu sammeln. Vielleicht mache ich dann Bigband. Ehrlich.
Danke für das Gespräch und viel Erfolg auf den kommenden Konzerten.
Gespräch und Interview : Martin Vejmelka