INTERVIEWS

Scooter im Interview

Keine deutsche Band hat es bisher geschafft über zwanzig Mal in den deutschen Top-10-Singlecharts zu landen. Bis zum letzten Jahr. Da schafften es die Mannen um H. P. Baxxter, die magische Marke zu brechen. Die Rede ist von Scooter. Dem blond-synthetischen Popphänomen bundesdeutscher Großraumdiskotheken der 1990er Jahre, das bis heute erfolgreich ist. Und die drei Jungs werden nicht müde. Im März startet ihre neue Tournee.

Ein Gespräch mit H. P. Baxxter.

Im März geht’s wieder auf Tournee in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wie groß ist die Vorfreude?

Natürlich freuen wir uns immer, wenn es nach langer Studiozeit wieder auf Tournee geht. Gleichzeitig habe ich aber jedes Mal wieder Schiss, dass mir mal die Stimme versagt. Gerade auf Tour, wo jeden Abend zwei Stunden Show anstehen, wird’s dann manchmal brenzlig. Aber bisher hat es immer geklappt (lacht). Vor der Tour werden wir auch noch drei Wochen in England unterwegs sein. Es wird also eine volle, aber schöne Zeit.

Hast Du denn für den schlimmsten Fall ein Zaubermittel für die Stimme im Gepäck?

Vor jeder Tour telefoniere ich immer mit sehr vielen Ärzten, um an diesem Punkt auf Nummer sicher zu gehen. Ich hab jetzt keine Zaubermittel dabei, aber von Sprays über Pastillen hab ich immer alles mit. Vor den Shows trinke ich dann auch immer eine Menge Tee mit viel Honig. Das hat bis jetzt auch immer alles geholfen.
 

Im letzten Jahr habt ihr zum zweiten Mal zwei Alben hintereinander veröffentlicht. Woher kommt diese musikalische Energie?

Das erste Album im letzten Jahr war ja das mit unserem neuen Bandmitglied. Das war eher unsere Aufwärmphase. Wir wollten schauen, wie wir zusammenarbeiten und was dabei herauskommt. Irgendwie fehlte auch ein wenig die Linie. Das Album war auf jeden Fall okay, aber so richtig hundertprozentig zufrieden waren wir nicht. Dann haben wir spontan die Single „The Question Is What Is The Question“ gemacht und die kam super an. Da mussten wir einfach nachlegen und haben direkt wieder ein neues Album in Angriff genommen und veröffentlicht. Das Album ist zwar in sehr kurzer Zeit entstanden, aber dadurch hat es eine gewisse Spontanität und Rohheit, die mir persönlich sehr gut gefällt. Zwei Alben im letzten Jahr waren also eher Zufall.

 
Über 20 Top-Ten-Hits in den deutschen Single-Charts. Keine deutsche Band hat bisher diese Marke geknackt. Was bedeutet euch so etwas?

Natürlich sind solche Dinge ganz nett, aber im musikalischen Alltag spielen sie nicht so eine große Rolle. Wir konzentrieren uns eigentlich immer sehr auf den Moment und denken nicht so weit voraus. Da ist es natürlich trotzdem schön, wenn man dann merkt, dass man schon so eine Menge Singles in den Top-Ten platzieren konnte. Wenn man aber ins Studio geht, fängt man immer wieder von vorne an. Da ist alles andere uninteressant. Insofern sind solche Titel schön, aber nichts, was man sich jetzt wochenlang immer wieder anschaut.

 

 
Im Intro der aktuellen CD „Jumping All Over The World“ erklärt eine PC-Stimme zu klassischer Musik den Begriff Jump bzw. den Jump-Style. Hat das einen tieferen Hintergrund?

Wir wollten eigentlich nur einen Gegenpol zu den folgenden Songs des Albums schaffen, um zu Beginn gewissermaßen die Spannung zu erhöhen. Deswegen die Sache mit dem klassischen Stück. Das war aber noch etwas fad. Und so haben wir uns entschlossen auch noch die Definition des Jumpstyle mit ins Intro zu packen, da ja auch nicht unbedingt jeder mit diesem Begriff etwas anfangen kann. (Anm. d. Red.: Jumpstyle ist ein elektronischer Tanz- und Musikstil)

 
Ihr verarbeitet gern bestehende Songs musikalisch: Auf der aktuellen Scheibe reicht das von Klassik über russische Volkslieder und Pop bis hin zu Psychedelic Rock. Wie schafft Ihr es, eure Ohren in so viele verschiedene Richtungen offen zu halten?

Wenn man gezielt nach irgendwelchen Stücken sucht, dann findet man meistens nichts. Ich interessiere mich eigentlich für Pop- und Rockmusik seit meiner frühesten Kindheit und habe immer wieder andere Bereiche für mich entdeckt. Und oft ist es dann so, dass man sich an Dinge erinnert, oder einem durch Zufall mal wieder ein Song über den Weg läuft, mit dem man dann etwas macht.

 
Wie mit dem Song „Marian“ der englischen Psychedelic Rockband The Sisters of Mercy, den Du auf dem aktuellen Album singst – und das mit einer deutschen Strophe?

Genau. Marian ist ein Song aus meiner Jugend, als ich so 18 oder 19 Jahre alt war. Das war eine sehr wichtige und intensive Zeit damals, und zu diesem Abschnitt gehörten eben unter anderen auch The Sisters of Mercy mit diesem, meinem damaligen Lieblingssong. Irgendwann bin ich dann wieder auf diesen Song gestoßen und dachte mir, man, das Ding mit einem straighten Housebeat – und so hat der Song seinen Weg auf das Album gefunden. Im Original gibt es auch eine deutsche Strophe, daher habe ich das einfach übernommen.

 
Hand aufs Herz: Wie lange schreibst Du an einem Text?

Meistens fallen mir unterwegs irgendwelche Phrasen und Wörter ein. Die schreibe ich mir dann auf. Wenn dann ein Song steht, dann verziehe ich mich in mein Büro, höre mir das an und überlege mir schon genau, welche Rhythmik und welchen Groove der Song hat, und wie ich da hinein möglichst gut meine Stimme integriere. Es geht also mehr darum, Worte und Phrasen rhythmisch in die Songs einzubauen als groß um den Inhalt.

 
Ein kurzer Blick in die Zukunft?

Jetzt geht’s erst einmal auf Tournee und wir bereiten die nächste Single-Auskopplung  aus unserem Album vor. Nach der Tour sind wir dann noch weiter im Ausland unterwegs. Das heißt, bis zum Sommer sind wir jetzt erst einmal komplett ausgebucht. Andere Dinge sind noch nicht geplant.


Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute, dass die Stimme nicht versagt.

 

Scooter, 28.03.2008, Alter Schlachthof Dresden. www.alter-schlachthof.de

 
Interview: Friedemann Schreiter

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