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Amy MacDonald: Ich bin zufrieden damit, eine Langweilerin zu sein

Amy ist die Anti-Gaga. Ohne jegliches Gehabe oder die sonst verbreiteten Allüren erscheint die 22 Jahre alte Schottin pünktlich zum Interview im Londoner „Institute of Contemporary Arts“, wo sie am Abend eines der ersten Konzerte zu ihrem neuen Album „A Curious Thing“ spielen wird. MacDonald trägt einen roten Schal, schwarze Hose, schwarze Lederjackeund ein silbernes Glitzertop. Wer es nicht besser wüsste, würde sie für eine Studentin halten.


amy mcdonaldAmy, was hältst Du von Lady Gaga?

Amy MacDonald: Wir saßen mal aus Zufall zusammen in einem Flugzeug. Während des Fluges hat sie drei Mal ihre Perücke gewechselt, warum auch immer. Trotzdem mag ich Lady Gaga. Sie ist wirklich anders. Aber ich bin natürlich das komplette Gegenteil. Bei mir dreht sich alles um die Musik, und genauso will ich das auch. Die Musik kommt zuerst, und der Rest irgendwann später. Mich würde es überfordern, so gewagt und extravagant aufzutreten wie sie.

Wie einzigartig ist denn Amy MacDonald?

Amy: Ach, ich weiß nicht. Ich denke zwar, dass es niemand anderes gibt, die so ist wie ich. Andererseits scheine ich mit dieser Meinung alleine zu stehen, denn alle anderen vergleichen mich andauernd mit irgendwem. Ich bin nicht so individuell und so schräg wie eine Lady Gaga, aber wie gesagt, darum geht es mir auch nicht.

Manche denken, dein bodenständiges Auftreten sei ebenfalls Kalkül.

Amy: Wer das denkt, hat keine Ahnung. Ich möchte so auftreten und mich so ausdrücken, wie es mir selbst gefällt. Ich verkleide mich nicht.

Sind deine neuen Songs eigentlich stark beeinflusst von deinem verrückten Leben der letzten zwei Jahre?

Amy: Nein, das kann man so nicht sagen. Ich bin eher eine Beobachterin. Ich gucke mir andere Leute an und schreibe über die. Über mich selbst singe ich wirklich nur selten.

Du singst aber ein Lied namens „What Happiness means to me“.

Amy: Ja, und das handelt von einem Paar, mit dem ich befreundet bin.

Warum schreibst du denn nicht über dich?

Amy: Weil ich mich und mein Leben langweilig finde (lacht). Jedenfalls zu langweilig, um die Menschheit damit zu behelligen.

Im Ernst?


Amy: Aber ja, das ist mein voller Ernst. Ich halte mich für eine wirklich nicht besonders interessante Person. Ich wundere mich ja schon darüber, dass du überhaupt Fragen an mich hast. Ich bin die totale Durchschnittsfrau und habe ständig Angst, dass du meine Durchschnittlichkeit entbößt.

Was ja gerade passiert.

Amy (lacht): Genau. Aber weißt du, ich hätte gar kein Verlangen danach, spannender zu sein. Ich fühle mich sehr wohl in meiner gewöhnlichen Haut. Ich bin sehr zufrieden damit, eine Langweilerin zu sein.

Du hast kaum Pause gemacht zwischen deiner letzten Tournee und den Aufnahmen zu deinem zweiten Album. Musstest Du nach dem Erfolg deines Debüts „This is the Life“, das sich allein in Deutschland 900.000 mal verkauft hat, nicht durchschnaufen?

Amy: Ich hätte sehr gerne ein bisschen frei gehabt, aber während der etwa zehntägigen Pause saß ich fast die ganze Zeit Zuhause und habe neue Songs geschrieben, was ja strenggenommen auch Arbeit ist. Zeit, die ich mit mir selbst verbringen konnte, gab es so gut wie nicht.

Fielen sie dir leicht, die neuen Songs wie die einprägsame aktuelle Single „Don’t tell me that it’s over“?

Amy: Nein, das Komponieren war Schwerstarbeit. Ich habe mich in mein Zimmer gesetzt und echt mächtig konzentriert. Zum Glück ist mein Freund tagsüber meist nicht da, also hatte ich Ruhe.

„A Curious Thing“ klingt voller und irgendwie lauter.

Amy: Ja. Das hat sich unbewusst so ergeben. Vor dem ersten Album habe ich kaum Konzerte gespielt, doch die vergangenen zwei Jahre habe ich hunderte von Shows gespielt. Diese Erfahrung spiegelt sich auf der Platte wider. Die Lieder klingen satt und wuchtig und richtig
nach einer Band. Ich finde das toll.

Du bist jetzt 22. Fühlst du dich anders als mit 19?

Amy: Vor drei Jahren, als meine Karriere losging, kam ich mir vor wie ein Fisch, der an Land geraten war und nach Luft schnappte. Ich hatte noch keinerlei AHnung, wie diese Branche tickt, wie mein Beruf nun funktionieren würde. Man kann sich das auch nicht abschauen, du
musst alles selbst lernen und alle Erfahrungen alleine machen. Jetzt kann mich nicht mehr so viel überraschen.

Was hältst du denn von der Musikbranche?

Amy: Ich war verblüfft, wie hart man dort arbeiten muss. Der Glamour, den die Leute immer mit diesem Beruf verbinden, der existiert in dieser Form kaum.

Speziell in Deutschland, aber auch in Österreich und der Schweiz, sind die Menschen ganz verrückt nach dir. Wie kommt das?

Amy: Ich war natürich oft bei euch, aber eine besonders kluge Antwort kann ich nicht darauf geben. In Deutschland behandeln mich alle Menchen, mit denen ich zu tun habe, sehr nett. Das Land respektiert meine Musik und mich, obwohl ich immer das Gefühl habe, die meisten Deutschen verstehen meinen fürchterlichen Dialekt nicht richtig (lacht).

Hast du dich ans deutsche Bier gewöhnt?

Amy: Meine Band kann vermutlich 50 Biersorten mit geschlossenen Augen erkennen. Du nicht?

Amy: Nein, ich bin zwar Schottin, aber keine große Biertrinkerin. Ich bevorzuge Gin Tonic, wenn überhaupt. Denn um ehrlich zu sein, trinke ich nur ganz wenig Alkohol. Mein Lieblingsdrink ist Cola light.

Echt wahr?

Amy: Ja, echt war. Ich wüsste auch echt nicht, wie ich mein Leben auf die Reihe bekäme, wenn ich mehr saufen würde. Oft muss ich morgens um 5 Uhr aufstehen und irgendwo hinfliegen und un um Mitternacht habe ich vielleicht Feierabend. Hätte ich dabei ständig einen dicken Kopf, würde ich auf der Bühne bestimmt regelmäßig an zu heulen fangen. Deshalb versuche ich lieber, so viel zu schlafen wie es irgendwie geht..Setz mich in einen Sessel oder sonst irgendwo hin, ich penne sofort ein.

Du hast weltweit fünf Millionen Alben verkauft. Was machst du mit deinem Geld?

Amy: Ich finde es amüsant, dass immer alle denken, ich sei nun reich. Bin ich aber nicht. Eine Millionärin bin ich längst noch nicht. Ich habe keine Villen, keine Ferraris. Aber ich bin mir sicher, dass Geld mich nicht verändern würde.

Manche kaufen sich den Ferrari bevor sie das Geld haben.

Amy: Genau, und dann floppt die zweite Platte und schon sind sie pleite. Das Geld, das man verdient, kommt sehr verzögert. Wenn meine Single in dieser Minute im Radio gespielt wird, dann werde ich vielleicht in zwei Jahren dafür bezahlt. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen sollten sich unbedingt einen Buchhalter besorgen, bevor sie das Geld ausgeben, das sie noch gar nicht haben.

Du bist schon ein Unikat in diesem Glitzergeschäft.

Amy: Ich weiß. Wenn das hier alles vorbei wäre und keiner mehr meine Musik hören wollte, dann ging ich wieder auf die Uni. Nicht, dass ich das unbedingt möchte, aber ich käme mit einem herkömmlichen Leben definitiv zurecht.

Spielst du deinem Freund, dem schottischen Profifußballer Steve Lovell, deine neuen Lieder vor?

Amy: Nein, mein Freund ist noch kritischer als ich. Das nervt echt. Ich meine, ich bitte ihn zwar, ehrlich zu sein, aber oft übertreibt er es und nimmt einen Song von vorne bis hinten auseinander.

Wie lange seid ihr zusammen?

Amy: Seit zweieinhalb Jahren.

Du hast für dein erstes Album den Song „Footballer‘s Wife“ geschrieben, als du deinen Freund noch nicht kanntest. In dem Lied lästerst du über Fußballerfrauen. Bist du jetzt selbst eine?

Amy: Nein, das finde ich nicht. „Footballer‘s Wife“ richtet sich gegen Frauen, die sich an diese Jungs hängen, selbst nichts gelernt haben, faul sind und deren hartverdientes Geld verprassen. So jemand bin ich natürlich nicht. Ich arbeite jeden Tag hart und habe nicht wegen meines Freundes oder meines Aussehens so viel erreicht. Und außerdem kannst du dir ja nicht aussuchen, was der Mann, in den du dich verliebst, für einen Beruf hat. Steve hätte genauso gut Klempner und Lehrer sein können.

Album „A Curious Thing“ seit dem 5. März - Text: Steffen Rüth
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