Lady Gaga
„Ich war immer ein dramatisches Mädchen“
Eigentlich heißt sie Joanne Stefani Germanotta und ist 22 Jahre alt. Ihre Karriere begann sie als Tänzerin und Songschreiberin, aber nun hat die selbstbewusste Lady, die ihren Namen vom Queen-Song „Radio Gaga“ hat, mit den feschen Electrohymnen „Just Dance“ und „Poker Face“ die Tophits des Frühlings Winters gelandet.
Gaga, du bist erst seit kurzem ein Star. Hast du dir dieses Leben so vorgestellt?
Lady Gaga: Ich wusste gar nicht, was mich erwarteten würde. Aber ich finde es geil. Wäre „Just Dance“ kein Hit geworden, hätte ich aber auch die Welt nicht mehr verstanden. Der Song bietet die perfekten Hitzutaten und ist innerhalb weniger Monate so etwas wie eine weltweite
Pophymne geworden. Und mit „Poker Face“ setze ich jetzt noch einen drauf..
Vor kurzem hast du sogar in Vietnam gespielt. Was war da los?
Gaga: Das war das Finale der „Miss Universe“-Wahl. Ich habe „Poker Face“ vor einer Menge schöner Mädchen gesungen.
Magst du schöne Mädchen?
Gaga: Klar. Ich habe ja auch schon Stücke geschrieben für die Pussycat Dolls. Dabei habe ich mir immer vorgestellt, wie Nicole Scherzinger in Unterwäsche aussieht. Nämlich süß und langbeinig und verführerisch. Außerdem zählen die Pussycat Dolls zu den wenigen Frauen im Showgeschäft, die noch härter arbeiten als ich. Ich mag die sehr gern, weil sie trotz ihres Erfolgs sehr lieb und natürlich geblieben sind.
Würdest du Nicole Scherzinger gerne küssen?
Gaga: Weiß nicht. Was das angeht, stehe ich doch mehr auf Jungs.
Hast du momentan einen Freund?
Gaga: Nein, da ist gar nicht dran zu denken. Seit zwei Jahren gebe ich alles für meine Musik und meine Karriere. Ich nehme das sehr ernst und bin jede Minute am Proben, trete auf, gebe Interviews oder reise von einem Ort zum nächsten. Ein Partner würde da im Moment nur stören, und es wäre auch unfair ihm gegenüber.
Hältst du dich selbst für schön?
Gaga: Schön nicht, aber hübsch. Und interessant. Wäre ich ein Junge, würde ich mit mir ausgehen wollen. Aber viele fürchten sich vor mir, weil sie denken, ich sei zu dominant
und selbstbewusst.
Hat Christina Aguilera eigentlich deinen Style geklaut?
Gaga: Sie bestreitet das ja und behauptet, sie würde mich gar nicht kennen. Aber soll sie ruhig. Für mich ist es ein großes Kompliment, dass Christina die Haare plötzlich so trägt wie ich. Sie ist ja ein Weltstar und eine Menge Leute sind wegen ihr wohl überhaupt erst auf mich aufmerksam geworden, da diese Styleklaugeschichte ziemlich durch die Medien ging.
Also bist du nicht sauer auf sie?
Gaga: Überhaupt nicht. Natürlich will ich nicht als Aguilera-Doppelgängerin in die Geschichte eingehen, aber diese Sache beweist doch, dass mein Stil echt Eindruck gemacht hat und gut ankommt.
Du trittst auch häufig auf Fashionparties auf. Kann man dich als Stilikone bezeichnen?
Gaga: Ich bin vollkommen verrückt nach Mode. Am meisten verehre ich Donatella Versace. Misake ist auch toll. Ich mache ja auch viel selbst, viele meiner Klamotten für die Bühne designe ich höchstpersönlich, zusammen mit meinem künstlerischen Kollektiv, das ich „Haus of Gaga“ nenne. Mode hat mich schon als kleines Mädchen begeistert. Mode und Musik sind wirklich alles für mich.
Wann fing das Interesse an?
Gaga: Als ich sehr klein war. Ich habe mich immer schon extrem verrückt angezogen, mir konnte es nicht flippig genug sein. Überhaupt war ich immer schon ein sehr dramatisches
Mädchen.
Apropos dramatisch: Deine Lieder wie „Poker Face“ bieten ebenfalls das ganz große Popdrama.
Gaga: Danke. Ich habe jeden einzelnen Song dieses Albums selbst geschrieben. Das sind alles meine Babies. Mehr als zwei Jahre habe ich daran gearbeitet und insgesamt wohl um die 80 Nummern komponiert.
Du nennst die Platte „The Fame“. Was bedeutet Ruhm für dich?
Gaga: Mich verwirrt ein bisschen, für wie wichtig dieses Berühmtsein heute in der Gesellschaft gehalten wird. Als wenn es keine anderen Werte mehr gäbe. Ich tue mich ein wenig schwer damit, denn ich will nicht eine dieser typischen öden Hollywood-Berühmtheiten sein. Ich definiere „Ruhm“ ein wenig anders.
Wie denn?
Gaga: Ich bin so weit gekommen, weil bei mir der Ruhm von innen kommt. Mit Geld oder Promidasein hat das nichts zu tun. Sondern damit, dass du treu zu deinen Ideen, zu deiner Vision, zu deiner Persönlichkeit bist. Und deine Kunst durchziehst, weil du an sie glaubst.
Das ist die Botschaft meiner Lieder: Jeder soll seinen individuellen Ruhm erreichen. Und nicht irgendwelchen fragwürdigen Vorbildern nacheifern, die nur Leere und höchstens eine attraktive Hülle zu bieten haben.
Seit wann wolltest du denn Popsängerin werden?
Gaga: So lange ich mich erinnern kann. Ich bin geboren worden, um die Menschen zu unterhalten. Ich habe als kleines Kind auf den Tischen getanzt, wenn mich meine Eltern mit ins Restaurant genommen haben. Mit 13 habe ich meinen ersten Song geschrieben und mit 14 meinen ersten Auftritt gehabt. Nach der High School habe ich dann Musik studiert und abends getanzt. Ich war immer schon sehr exhibitionistisch.
Bist du das immer noch?
Gaga: Klar. Ich liebe Drama, große Gefühle und wilde Aktionen. Vor vier, fünf Jahren hatte ich eine Phase, in der ich mich selbst noch nicht so ganz gefunden hatte. Ich probierte viel aus, unter anderem auch Drogen. Ist ja nichts dabei, so lange es Spaß macht und du die Sache im Griff hast. Zu der Zeit war ich Gogo-Girl in einer Schwulenbar in der Lower East Side von New York, wo ich lebe, seit ich 18 bin. Die Lower East Side ist so das Sammelbecken für alle Verrückten und Unangepassten in New York. Eines Abends kam mein Vater in die Bar, weil er gucken wollte, was ich dort so treibe. Als er mich im Ledertanga tanzen sah, ist er gleich wieder abgezischt. War nicht so nach seinem Geschmack (lacht).
Gogo-Girl in einer Schwulenbar ist aber auch irgendwie ein Widerspruch.
Gaga: Es war eine sehr aufgeschlossene und fortschrittliche Schwulenbar. Die Schwulen haben mich von Anfang an akzeptiert und unterstützt. Und das, obwohl ich verrückt bin.
Oder so tust, als wärst du verrückt. Willst du die Leute provozieren?
Gaga: Ja, ganz eindeutig.
„Just Dance“ ist aber keine besonders provokative Nummer.
Gaga: Doch. Das ist ein Popsong, der davon handelt, wie toll es ist, betrunken zu sein. Und sich mit viel Spaß zum Affen zu machen. Solch ein Song aus dem Mund einer Frau, also ich finde das schon gewagt.
Du hast auch Songs für Britney Spears geschrieben. Ist sie nicht das genaue Gegenteil von dir: Nämlich ein Püppchen ohne eigenen Willen?
Gaga: Du spinnst ja wohl.
Warum?
Gaga: Britney ist überhaupt kein Püppchen. Dieses Mädchen hat sich über die Jahre immer wieder neu bewiesen.Sie ist immer wieder zurückgekommen. Ob du ihre Musik nun magst oder nicht – sie ist eine der heißesten und unangepasstesten Popsängerinnen ihrer Generation. Ich meine, Madonna liebt Britney ja nicht von ungefähr. Denk doch nur mal an den Zungenkuss der beiden vor einigen Jahren.
Also siehst du es als Ehre, für Britney zu arbeiten?
Gaga: Natürlich Ich bin eine Popsongschreiberin. Popmusik ist keine schlechte Sache. Britney oder Miley Cyrus oder die Jonas Brothers machen alle ganz hervorragende Popmusik. Das ist doch ein herrlicher Anblick, wenn hunderte von Kids bei MTV vor der Tür stehen und ihren
Stars zujubeln. Ich finde das total schön, so eine Begeisterung.
Du hast die katholische Mädchenschule „Convent of the Sacred Heart“ besucht und bist mit den Hilton-Schwestern in eine Klasse gegangen. Wie waren die so?
Gaga. Paris war nicht bei mir in der Klasse, die ist älter. Aber mit Nicky war ich in einer Klasse, das stimmt.Wie die Hiltons waren? Sehr, sehr langweilig. Brav und sauber. Sie waren nicht die Sorte Mädchen, die heimlich eine Flasche Wodka in die Schul-Cafeteria schmuggelte. Eigentlich waren Nicky und Paris ziemlich unscheinbar.
Und du?
Gaga: Ich bekam immer Ärger wegen meiner Klamotten. Ich habe mich immer schon etwas gewagter gekleidet, aber die Lehrer hatten etwas dagegen, dass man meinen BH sieht oder meinen String. Nun ja. Meine Noten waren gut, aber richtig interessiert hat mich das nicht.
Handelt dein Song „Dirty Rich“ von Nicky und Paris Hilton?
Gaga: Ganz und gar nicht. „Dirty Rich“ handelt von all den reichen und verwöhnten Kids, die bei mir im Viertel rumhängen, so tun als würden sie studieren, aber in Wirklichkeit Daddys Kohle für Drogen und Parties auf den Kopf hauen.
Wie ehrgeizig ist Lady Gaga?
Gaga: Ich habe mir meine Karriere selbst und hart erarbeitet. Und ich werde weiter kämpfen. Mein Ziel ist es, für die nächsten 25 Jahre die Welt der Popmusik auf den Kopf zu stellen.
Text: Steffen Rüth - Foto: universal, Pieter Henket