INTERVIEWS
ALEXANDER MARCUS erfindet Electrolore
hinterhältig oder ist es gar hintergründig? So genau weiß man das nicht. Zumindest nicht,
wenn es sich um Alexander Marcus handelt, dem Alter Ego des House-Musikproduzenten Felix Rennefeld. Gegen Hintergründigkeit spricht die pinkfarbene Hose, die er zu oft trägt. Gegen Hinterhältigkeit das süße Lächeln. Für seine Fiesheit jedoch sprechen die abgehalfterten, schmalztiefenden Schlagerklischees, mit denen er sein Publikum ausdauernd beschallt. Nicht jedoch sie vorher mit fetten Housebeats gekreuzt zu haben. Mit Electrolore hat er fl ugs ein neues, eigenes Genre kreiert. Vom Begriff Electroclash hat Alexander Marcus den ersten Wortteil vereinnahmt, von Folklore den zweiten. Wer zwischen den Stühlen sitzt, tischlert sich mal eben einen und macht es sich bequem. Und schaut sich von dort die Klicks auf YouTube an, die sich auf die Millionengrenze zubewegen. Alexander Marcus blättert durch mehr als 50 verschiedene Fanclubs beim StudiVZ. Wenn er leibhaftig eine Bühne betritt, strömen die Massen und alle grölen mit. Banalster Schlagersound im korrekten Clubgewand. Ein unbestreitbares Phänomen. Ein untersuchenswertes Phänomen? Das findet DD-Inside und schickt Franz X.A. Zipperer zu Nachforschungen ins Electrolore-Labor.
Franz X.A. Zipperer (fxaz): Wer braucht Electrolore? Wie bist du überhaupt auf den Gedanken gekommen, dieses Musikmonster zusammenzuzimmern?
Alexander Marcus (ama): Alle brauchen diese Klänge. Alle, die in ihrer Kindheit und Jugend stark durch Schlager und Volksmusik beeinfl usst wurden. Ich war sogar Mitglied in der volkstümlichen Kindertanzgruppe „Edelweißchen.“ Und alle, denen dabei etwas Grundsätzliches fehlte, nämlich der basslastige Groove. Den lernte ich so richtig kennen, als ich mit 18 im Land der unbegrenzten Möglichkeiten in New York und in Miami lebte. Dort waren so unterschiedlichsten Musikstile, wie House, Techno, Electro, aber auch Hip Hop oder Soul überall und rund um die Uhr zu hören. Was lag also näher, als Schlager und Volksmusik auf das Fehlende zu betten?
fxaz: Kindertanzgruppe ist ein prima Stichwort. In einem deiner Videos führst du auf einem Rastplatz als Ludwig II. einen Robot Dance auf. Hast du dabei deine jugendliche Tanzerfahrung auspacken können?
ama: In gewisser Weise schon. Ich habe zwar immer gerne getanzt, hatte aber abgesehen von den „Edelweißchen“ keinen Tanzunterricht. Meine Großmutter hatte irgendwie gemerkt, dass ich immer rumtanzte und den Clown machte und hat mich damals dort angemeldet. Aber dieses Filmchen beweist doch noch was anderes, nämlich, dass Electrolore beinharte Tanzmusik ist. Unterhaltung pur.
fxaz: Du bist also nicht nur Musiker und Tanzanheizer. Du bist ein klassischer Entertainer?
ama: Unbedingt, ich bin ein Mensch, der es liebt, andere mit meiner Musik zu unterhalten und ihnen Freude zu bereiten. Ich liefere gute Unterhaltung ab. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Überall. Auf dem gesamten Globus, wenn es gewünscht wird.
fxaz: Da greife ich doch gleich wieder zu. Globus ist das nächste Stichwort. Man erzählt sich, dein bester Freund ist ein Plastikglobus namens Globi. Ist da was dran?
ama: Der Globus heisst Globi und ist eigentlich mein bester Kumpel. Er weiß, was ich mag und nicht mag. Er stellt mir nicht ständig irgendwelche Fragen und fordert wirklich nicht viel. Ein wenig Pfl ege vielleicht. Globi symbolisiert natürlich auch meine angesprochene Liebe zur ganzen Welt. Zu allen Ländern und ihren Menschen.
fxaz: Doch noch mal zurück zur Electrolore. Wie arbeitest du an Stücken?
ama: Da gibt es keine prinzipielle Herangehensweise. Manchmal ist erst ein Beat da oder ein Soundgerüst, auf dem ich dann einen Text ausprobiere. Oder mir fällt einfach so ein Text ein. Es klingt zwar abgedroschen, aber die Stücke, die am schnellsten entstehen sind in der Regel die besten.
fxaz: Bringt der immer stärker anschwellende Erfolg auch mehr Druck mit sich?
ama: Da ich mich sehr freue, dass meine Musik immer mehr Leuten gefällt, motiviert mich das ungemein. Druck kommt da nun wirklich nicht auf.
fxaz: Hast du musikalische Vorbilder? Oder gibt es etwas anderes, was dich inspiriert?
ama: Ich habe ehrlich gesagt gar keine Vorbilder. Ich höre privat leider kaum noch Musik, höchstens mal was von Oscar Peterson. So zum Entspannen. Aber es gibt viele Musiker, die ich bewundere und mit denen ich gerne arbeiten würde. Mit Giorgio Moroder oder Harold Faltermeyer zum Beispiel. Ich lasse mich auch gerne von Filmen oder Serien inspirieren. Ich liebe „Spongebob“ oder alte „Tom und Jerry“-Folgen. Aber auch alles was mit „Star Wars“ zu tun hat.
fxaz: Hast du nicht mal Klausjürgen Wussow und Peter Kraus als Vorbilder für dich bezeichnet? Also hast du doch welche?
ama: Erwischt. Oder auch nicht. Habe ich nicht von Serien gesprochen? Ich mochte auch die Schwarzwaldklinik. Immer schon. Außerdem war Klausjürgen Wussow ein brillanter Schauspieler. Für mich ein ganz Großer. Und Peter Kraus imponiert mir, weil er seine Nummer seit fünfzig Jahren durchzieht. Gegen alle möglichen Anfeindungen und den ständig wechselnden Zeitgeist.
fxaz: Hast du auch schon Pläne für die nächsten fünfzig Jahre?
ama: Durchaus. Ich würde gerne weiterhin viele Menschen von Electrolore begeistern, so dass man irgendwann außer ihr gar keine andere Musik mehr braucht. Die Grenze zwischen Dichtung und Wahrheit wird von Alexander Marcus alias Felix Rennefeld genauso genial verwischt, wie die zwischen Spießertum und Subkultur. Eine reife Leistung. Daran gibt es gar nichts zu deuteln. Und wer das schaff t, dem sei sein dämliches Grinsen verziehen. Auch wenn man nicht auf ein Kurzzeitgrinsen hoffen darf. Es gilt dabei immer zu bedenken, die Phänomene Dieter Thomas Kuhn und Guildo Horn sind auch schon in die Jahre gekommen. Beide werden bis heute nicht müde ihre kreativen Ergüsse vor großem Publikum zum Besten zu geben.
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