INTERVIEWS

Miss Kittin & The Hacker

Geschichte wiederholt sich


Manchmal muss es eben eine Trennung sein, die Großes bewirkt. Da wurde vor acht Jahren von Miss Kittin & The Hacker das „1st Album“ vorgelegt und sorgte aus dem Stand für Furore. Nahezu die gesamte Post-Rave-Generation versammelte sich unter dem Klangschirm, den Caroline Hervé und Michel Amato, so heißen die Beiden im richtigen Leben, aufspannten. Electro Clash prangte in bunten Lettern auf der Bespannung.

Zum ersten Mal in der Musikgeschichte. Doch bevor diese von Miss Kittin & The Hacker weiter geschrieben werden konnte, war das Duo schon wieder Geschichte. Jeder zog für sich los. Erfolgreich. Geschichte wiederholt sich nicht, es sei denn als Farce, so spottete einst Karl Marx. Jetzt drehen Miss Kittin & The Hacker den Spieß genüsslich um. Ihr zweites Album mit dem absolut logischen Titel„Two“ ist nun wahrlich alles andere als eine Farce. Aber die Duo-Geschichte wiederholt sich. Und weil es so schön war, wird das „1st Album“ gleich noch mal neu aufgelegt. Die dazugehörige Tour macht auch in Dresden Station. Darüber wird zu reden sein. Das tat Franz X.A. Zipperer für DD-Inside.

 

 

Miss Kittin & The Hacker legen nach Jahren zweites Album

Franz X.A. Zipperer (fxaz): Gleich zu beginn die Frage, warum arbeitet ihr wieder zusammen, nachdem doch so abrupt Schluss war?


Miss Kittin (mk): Wir wollten beide der Techno-Welt entkommen. Nicht, dass wir sie nicht geliebt hätten. Schließlich haben wir uns in ihr bewegt. Aber wir wollten nicht mehr auf der Stelle treten. Wir wollten die kreative Gefahr des Neulands wieder spüren, ...


The Hacker (th): ... und da erinnerten wir uns an die grandiose positive Spannung, die zwischen uns bei der Arbeit am ersten Album aufgekommen ist. warum sollten wir das Glück nicht ein zweites Mal herausfordern?


Franz X.A. Zipperer (fxaz): Wie vollzog sich die konkrete Arbeit an der neuen CD?


Miss Kittin (mk): Ich bin von Berlin zurück nach Paris gezogen. Michel hat davon erfahren und mir ein paar musikalische Ideen überspielt. Ich war so begeistert, dass ich sofort dazu Gesangsparts eingesungen habe. Ich wollte Michel damit überraschen und herausfordern, ...


fxaz: ... ist es gelungen?


th: Klar doch. Sonst gäbe es das neue Album wohl kaum.


mk: Wir haben natürlich nicht gleich die gesamte Produktion rausgehauen. Wir haben einige Stücke fertig gemacht und sie dann rumgereicht. Anderen DJs gegeben, selbst live ausprobiert. Wir wollten nicht im eigenen Saft schmoren, sondern sofort eine Meinung von außen hören, ...


th: ... die waren ausnahmslos so positiv, dass ein ungeheuerer Ansporn für uns war, weiterzuarbeiten.

fxaz: Hat sich in der Zusammenarbeit gegenüber dem „„1st Album“ verändert?


th: Ja, ganz eindeutig. Bei der vorhergehenden Platte haben wir in meinem Studio alles gemeinsam gemacht. Von Anfang bis zum Ende. Diesmal haben wir getrennt gearbeitet. Ich habe die Grundtracks in meinem Studio fertig gemacht, dann habe ich sie Caroline geschickt. Sie hat dann die Gesangspassagen eingesungen. Also ein echter Austausch ...


mk: ... und wir konnten so das Individuelle, das Spontane einfangen. Ich finde auch, das hört man.


th: Was von Anfang völlig klar für uns war, war die Tatsache, dass wir keinen Aufguss des ersten Albums machen wollten. Alles andere sollte frei fließen. Der einzige Druck, den wir hatten, war der, gut zu sein.


fxaz: Welche aktuellen musikalischen Wurzeln sind in die gemeinsame Arbeit eingeflossen?


th: Minimalismus hat eine große Rolle gespielt. Etwa der von Function. Auch habe ich Discoklänge verarbeitet, Glass Candy wären da beispielsweise zu nennen. „Party In My Head“ ist der Höhepunkt der Discoanleihen. Da kommen sogar Blondie durch. Die Einflüsse sind aber eher im Verborgenen wirksam. Auf der ersten Platte sind die Wurzeln sehr viel direkter und offener zu Tage getreten. Die Single „1000 Dreams“ ist das Bindeglied zwischen unseren beiden CDs. Sie greift die vorherige Arbeit auf und überführt sie in die kreative Zukunft ...


fxaz: ... dann gibt es da noch das Elvis Presley-Cover „Suspicious Minds“ ...


mk: ... ja, das ist so ein wunderbares Stück. Das muss man sich einfach vorknöpfen. Was für eine Melodie. Und es ist ja nicht gleich von der ersten Note an zu erkennen. Ein wenig Versteckspiel haben da schon betrieben.


fxaz: Was passiert live auf der Bühne?


mk: Auf der Bühne sind nur beide. Wir hatten auch nicht die Absicht, unser klassisches Duo-Lineup zu verlassen. Das heißt, Michel kontrolliert den Maschinenpark und ich übernehme den Gesang. Halt. Nicht nur. Bei einem Stück spiele ich Bass. Dazu bieten wir dem Publikum Videoprojektionen.


fxaz: Gibt es schon Zukunftspläne für die weitere Zusammenarbeit nach der Tour?


mk: Darüber haben wir uns noch keine Gedanken gemacht.


Miss Kittin & The Hacker haben mit ihrem zweiten Album „Two“ nicht nur neue Wege eingeschlagen, sondern durch Neugestaltung ihrer vielfältigen musikalischen Einflüsse einen eigenen cluborientierten Cyberpop geformt. Damit wiederholt sich nicht nur die Geschichte der Zusammenabreit. Nein. Es werden der Geschichte des Electro Clash neue, pulsierende Seiten hinzugefügt.

 

Foto by Vincent Flouret

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