INTERVIEWS

Yellow Umbrella „Das ist geil und schizophren“

 

Den meisten Dresdnern muss man wohl nicht erklären, wer Yellow Umbrella sind.
Seit über einem Jahrzehnt sind die sieben aus Dresden stammenden Musiker
bereits im Dienste von Reggae, Ska und Dub unterwegs. Nun haben sich
verschiedenste Künstler aus der ganzen Welt versammelt, um der Band ihre
Anerkennung auszusprechen.

Herausgekommen ist das Tribute-Album „same same – but different“.


Dazu ein Gespräch mit Thomas Hellmich, Posaunist der Band.


Das aktuelle Album ist jetzt seit ein paar Tagen draußen. Wie sind die ersten Reaktionen?

Sehr gut. Die Promotion läuft allerdings gerade erst an. Wir haben schon ein paar Airplays im Radio bekommen und die ersten Rezensionen trudeln ein. Das Feedback ist durchweg positiv, was wir nicht unbedingt erwartet haben. Uns war durchaus bewusst, dass dieses Album polarisieren wird.

Wie ist die Scheibe eigentlich entstanden – eher geplant, oder doch ein zufälliger Prozess?

Wir haben das knallhart durchgeplant und bereits im Oktober letzten Jahres die Songs unseres Comeback-Albums „little planet“ an ganz bestimmte Künstler, meist alte Weggefährten, verschickt. Man könnte die Scheibe also schon als Konzeptalbum bezeichnen. Es gab natürlich auch – meist aus Zeitgründen – Absagen. Zum Beispiel von Chris Murray, Babylove & The Van Dangos, Jim Murple Memorial und Helge Schneider. Es gab aber auch überraschende Zusagen – zum Beispiel von Letzte Instanz – und Angebote von Bands, die wir gar nicht gefragt hatten, wie zum Beispiel Overdressed Underdogs.

Habt ihr in irgendeiner Art und Weise Einfluss auf die musikalischen Produktionen der Gäste gehabt?

In künstlerischer Hinsicht nicht. Wir haben nicht einmal vorgegeben, welchen Song sie
bearbeiten sollen. Sie haben das ganze Album bekommen und konnten sich ein oder zwei Songs zum neu interpretieren heraussuchen. Einzig die Hoheit über den allgemeinen Sound, also das Mastering und teilweise auch das abmischen, haben wir uns vorbehalten.

Wie verlief die Arbeit am Album?

Heutzutage kann man ja riesige Datenmengen in kürzester Zeit um den ganzen Globus
schicken. Deswegen musste sich niemand aus seiner Stadt bewegen oder wurde extra
eingeflogen. Alle Künstler haben in ihren Studios gearbeitet. Zum Beispiel Victor Rice
in Sao Paolo oder King Django in New York. Durch diese Arbeitsweise haben wir
vollkommen unterschiedliches Material erhalten: Manchmal kam nur eine Gesangsspur
zurück, manchmal ein komplett abgemischter Song. Auch in das Mastering mussten wir
ziemlich viel Zeit investieren, da jeder Song aus einer anderen musikalischen Schmiede
kam und das Album trotzdem ein bisschen wie aus einem Guss klingen sollte.

Wie ist das, eine Platte zu hören, die ja eigentlich die eigenen Songs
beinhaltet – aber doch so anders klingt?

Das ist supergeil und gleichzeitig etwas schizophren. Es ist die eigene Musik und dann doch wieder nicht. Mein heimlicher Wunsch ist es übrigens, mal als Gast auf ein Yellow Umbrella-Konzert zu gehen.

Für was steht der Titel des Albums?

Wer schon mal in Asien unterwegs war, hat „same same but different“ bestimmt gehört und lacht sich wahrscheinlich kaputt. Das ist so genanntes Tinglish, Thai-English, also eigentlich falsches Englisch. Es meint: „seems similar but different in some ways“, was so viel bedeutet wie: „so ähnlich, aber ein bisschen anders“. Man bekommt es in Asien ständig und an jeder Ecke zu hören: „Is this a real Rolex? Yes Sir, same same but different”. Oder: “Is this a really yellow umbrella? Yes Sir, same same but different“ (lacht).

Die euch Tribut zollenden Künstler kommen aus den verschiedensten Regionen der Erde. Hört man diese Internationalität auch?

Ich finde schon. Das ist immerhin das erste Yellow Umbrella-Album, auf dem Polnisch,
Deutsch und Englisch mit französischem Akzent gesungen wird.

Habt ihr durch das Album einen neuen Aspekt in eurem Sound entdeckt?

„little planet“, unser letztes Album, war für meinen Geschmack sehr rootsig abgemischt.
Für ein Comeback-Album auch vollkommen in Ordnung. Es war daher für mich eine besondere Freude, die gleichen Songs die Extreme ausloten zu hören. Und dadurch zu erfahren, wie Yellow Umbrella noch klingen kann.

Gibt es für Dich einen persönlichen Favoriten auf der Scheibe?

Ich habe zwei persönliche Favoriten: „Internatzionau“ mit Vavamuffin aus Warschau – die Jungs singen einfach, als ob es um ihr Leben ginge – und „s’ iss soe“ mit Ronny Trettmann. Ronny gibt dem Song ein komplett anderes Gesicht und ist außerdem superwitzig.

Nach so vielen Jahren aktivem Musikerdasein – was bedeutet es euch, eine solche musikalische Anerkennung für das eigene Schaffen von Künstlern aus der
ganzen Welt zu erhalten?

Das bedeutet uns sehr viel. Das größte Kompliment, was ein Musiker einem anderen Musiker machen kann, ist, einen Song von ihm neu zu interpretieren. Wir sind ergriffen und fühlen uns geehrt.

Was steht als nächstes im Bandkalender?

Im Juli spielen wir erstmal ein paar schicke Festivals in West, Ost, Nord und Süd.
Am 26. Juli gibt es dann die exorbitante und unglaubliche Release-Party für „same same – but different“ in Dresden in der Saloppe, zu der wir alle herzlich einladen!
Ein neues Album wird auch kommen, aber nicht vor 2009.

Drei Gründe, warum gerade „same same – but different“ jedem die paar Taler wert sein sollte?

Erstens, Ronny Trettmann sagt, „wie’s iss“. Zweitens, Yellow Umbrella hatten noch nie einen dickeren Bass, als auf dieser Scheibe. Drittens, das Cover ist mit partiellem UV-Lack überzogen.

Thomas, ich danke Dir für das Gespräch.

Release-Party „same same but different“, 26. Juli 2008, Saloppe Dresden, www.yellow-umbrella.de

 
Text & Gespräch: Friedemann Schreiter

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