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Die Lakeien - Eine gute Band ist immer sie selbst.

Das „Acoustic-Tour“-Konzert von Deine Lakaien am 01.Dezember 2009 in Dresden war restlos ausverkauft. Die beiden Protagonisten, Ernst Horn und Alexander Veljanov werkeln fleißig an der Produktion eines neuen Albums. Bereits an ihrem XXX. Doch es gab eine Zeit, da ist der ausgebildete Dirigent Pianist, Komponist und heutige mächtige Bezwinger von Rechnern, Drehreglern Ernst Horn, Orchester-Chef der Karlsruher Oper und zuletzt Theaterpianist und Komponist am Bayerischen Staatsschauspiel in München. Damals ist er inspiriert von dramatischer Oper, Folk- und Mittelaltermusik,Alexander Veljanov, heute die Stimme von Deine Lakaien, hingegen studiert Film- und Theaterwissenschaften und liebäugelt mit New Wave, Post-Punk, Gothic und lässt sich auch sonst von der angesagten Musik der frühen 80er Jahre prägen. Gegensätzlicher könnten die beiden Klanguniversen nicht sein. Beide kennen sich auch nicht. Das ändert 1985 eine Zeitungsannonce. „Suche experimentier- Deine Lakaien wieder auf Acoustic-Tour freudigen Sänger“ ist da zu lesen. Aufgegeben hat sie Ernst Horn. Da Gegensätze sich bekanntlich auch anziehen, antwortet Alexander Veljanov. Schon ist die Keimzelle gelegt, die seit nunmehr über 20 Jahren eine eigenwillige und experimentierfreudige Symbiose von elektronischer und akustischer Musik, von ernster Musik und Unterhaltung hervorbringt. Eine gewisse Sperrigkeit, wie auch der Hang zur Bombastik sind stets garantiert. Der Begriff Reduktion taugt nicht zur Bestimmung der künstlerischen Position von Deine Lakaien, bis sie 1995 zu ihrer ersten „Acoustic-Tour“, als klassisches Duo, nur mit Klavier und Gesang aufbrechen. Der Höhepunkt dieser speziellen Auseinandersetzung mit dem eigenen Schaffen ist im April 2006 die Einladung der Neuen Nationalgalerie Berlin, anlässlich der Ausstellung „Melancholie. Genie und Wahnsinn in der Kunst“ erneut ein solches Akustik-Konzert zu geben. Für Deine Lakaien offensichtlich Ansporn genug, 2009 und 2010 nachzulegen. Und Ansporn für DD-Inside, Franz X.A. Zipperer loszuschicken und Gesprächsbedarf anzumelden.

Franz X.A. Zipperer (fxaz): Ein Akustik-Konzert von Deine Lakaien ist nichts als ein Flügel und Stimme. Die Leitmelodien bleiben der Kern, aber das Konzept muss ein reduziertes sein. Was bedeutet Reduktion für euch?

Ernst Horn (eho): Reduktion bedeutet für uns zweierlei. Einerseits, aus dem Vollen schöpfen und wirklich alle Register ziehen. Andererseits soll das, was die Lakaien musikalisch ausmacht, auch die mitunter bombastischen Arrangements der Platten, auf die akustische Idee reduziert werden und sich dennoch deutlich vom bekannten unplugged Konzertkonzept abheben, …

Alexander Veljanov (ave): … eine Dekonstruktion, eine Rückbesinnung auf das Grundlegende ist die Basis dieser Aufführungen.

fxaz: Es scheint also immer noch ein Anliegen von euch zu sein, kreativ überraschend zu sein und zu bleiben?

ave: Wir haben schon von Beginn an unserer Arbeit danach gestrebt, Grenzen zu überschreiten und verschiedene musikalische Stilrichtungen zu einem Gesamtkonzept zu verweben. Ich denke, man hört es unserer Musik an, dass wir immer etwas Neues ausprobieren und uns weiterentwickeln wollen. So ist es für uns auch nicht verwunderlich, dass wir dies auch bei der konzertanten Präsentation unseres Materials tun. Auch hier haben wir nie versucht, einen Erfolg einfach zu kopieren.

fxaz: Aber eine Akustik-Tournee gab es ja schon mal, …

eho: … ja und? Bloß weil wir damals und jetzt als pures Duo auf der Bühne stehen, heißt das doch noch lange nicht, dass die künstlerischen Möglichkeiten bereits ausgereizt sind

fxaz: Diesbezüglich eilt euch ja der Ruf voraus, dass nun wirklich jedes Konzert ein Unikat ist. Leute, die den Konzerten hinterher reisen, ließen sich schon zu Sätzen wie diesen hinreißen: „Manches Lied klingt am Ende einer Tournee völlig anders als am Beginn. Ganz so, als hätten sich neue Ideen, aufgestaut während der langen Autobahnkilometer zwischen den Spielorten. Und sich dann abends ganz unverblümt zwischen die Noten gedrängelt.


eho: Jeder Auftritt ist ein Experiment. Jeder. Denn in unseren Köpfen ist Klang allgegenwärtig. Ein Ausschalten ist unmöglich. Wenn es einem also so verdammt schwerfällt, die Klänge in seinem Kopf zum Schweigen zu bringen, wie sollten sie sich nicht jeden Abend neu und anders in die Aufführung drängen? Und doch, eine gute Band ist und bleibt immer sie selbst.

fxaz: Da steht kein stinknormaler Flügel auf der Bühne, überall ist zu lesen, er sei präpariert. Ein Begriff, der eher in der Neuen Musik à la John Cage zu Hause ist. Wie ist deiner modifiziert?

eho: Das Stichwort John Cage weist durchaus in die richtige Richtung. Auf die Saiten gelegte Gläser, Metalle, Papiere und noch einiges mehr werden beim Anschlag der Saiten zusätzlich zum Schwingen gebracht und erzeugen ganz gezielt Klänge, die den Flügelklang wunderbar ergänzen und bereichern, …

ave: … etwas, was natürlich auch meine Stimme immer wieder aufs Neue fordert. Diese auch live gemeinsame Neuerarbeiten oder Neuinterpretieren unserer Stücke gibt ihnen diesen besondern Unikatzauber.

fxaz: Die unvermeidliche Frage nach den gespielten Stücken muss nach dieser Antwort einfach gestellt werden.


ave: Es wird auch exklusive neue Lieder zu hören geben. Schließlich wird es 2010 definitiv eine neue Scheibe von uns geben. Natürlich haben wir einen Querschnitt durch unsere bisherigen Schaffen ausgewählt, dazu gehören auch Titel, wie„Love me to the End“, „Mirror Man“ oder „Dark Star.“ Aber auch besondere Stücke, wie das eher selten gespielte „A Fish called Prince“ aus dem Neil Gaiman-Tribute-Sampler „Where’s Neil when you need him?“ haben wir im Gepäck.

Deine Lakaien liefern auf ihrer „Acoustic-Tour“ in dramaturgisch gelungener Weise die schönsten und wichtigsten Stücke ihrer nunmehr 20-jährigen Schaffenszeit. Manche Stücke sind im akustischen Gewand kaum wieder zu erkennen, doch gerade dadurch zeigen sich an Seiten, die man vorher niemals vermutet hätte. Der Sound ist klar und kräftig. Er schwingt und groovt. Voller Wucht, doch mit rührender Zartheit.

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