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Nosliw & Feueralarm Band

Er hat schon viele Häfen angelaufen. Anfang der 90er Jahre den HipHop-Hafen unter der Flagge der Formation D.U.G. oder Die unendlichen Gedichte. An den Kaimauern der Sanitärinstallateure hat er gelegen und in der Bucht der Logopäden geankert. Eric Alain Wilson steht in seinem Stammbuch, als er als Sohne einer Österreicherin und eines Senegalesen geboren wird. Doch das Ananym seines Namens, Nosliw, dass hat ihn berühmt gemacht. Hat ihn aufsteigen lassen ins deutsche Reggae- Triumvirat. Neben Seeed und Gentleman. Im vergangenen Frühjahr erschien bereits sein drittes Album „Heiss &Laut.“  Jetzt trifft Nosliw in seiner neuen Wahlheimat Berlin Franz X.A. Zipperer und gestattet einen tiefen Blick in seine Dancehall-Seele.

nosliw

Franz X.A. Zipperer (fxaz): Was hat dich nach Berlin getrieben? In deiner ursprünglichen Heimat, dem Rheinland lässt es sich auch prima leben.

Nosliw: Es war die Liebe. Aber so ein Standortwechsel hat natürlich auch noch andere Vorzüge und kreatives Potential. Viele neue Freunde und interessante musikalische Beziehungen tun sich im Nordosten Deutschlands auf. Das bläst auch schon mal den Kopf durch.

fxaz: Und was hat dich vom HipHop zu Reggae-Dancehall-Klängen abwandern lassen?


Nosliw: Inspiriert wurde ich durch die gemeinsame Dancehall-Aufnahme „Babylon“ mit meinem Freund Nattyflow. Mit dieser Erfahrung und diesen Klängen im Kopf eroberte ich mir mehr und mehr den Soundtrack meiner Kindheit zurück. Besonders meine Mutter war eine leidenschaftliche Reggae-Hörerin. Bob Marley, Peter Tosh und Consorten. Auf meinem ersten Album „Mittendrin“ erzählen wir in dem gemeinsame Stück „Begegnungen“ davon.

fxaz: In den Stücken der beiden letzten CDs hast du dich intensiv mit der Ausdrucksform Reggae beschäftigt, ...

Nosliw: ... kann man genau so sehen. „Mittendrin“ war eine kleine Werkschau dessen, was ich mir an Fähigkeiten bis dahin angeeignet habe. Ich konnte noch nicht sooo klasse singen, aber der Vibe stimmt. Das zweite Werk „Mehr Davon“ hatte den Modern Roots-Sound als roten Faden. Das Erste war eindeutig politischer und textbeladener, das Zweite ist musikalischer. Obwohl sich auf „Mehr Davon“ nur ein einziges Liebeslied befindet, ist es in der Wahrnehmung vieler ein Loversrock-Album. Vielleicht liegt das am Einfluss meiner Frau? Und „Heiss & Laut“ ist definitiv der Startschuss für die Nosliw-Dancehall-Ära!

fxaz: Worin liegt die Faszination des Reggae für dich?

Nosliw: Das Singen, im Gegensatz zum Rappen, das ist es. Gesang ist für mich die vollständige Art, Musik zu machen.

fxaz: Das zu einem Zeitpunkt, da der Hype um den deutschen Reggae abebbt. Wo sich Veranstalter über unprofitable Reggae-Partys beklagen und die unzähligen Soundsystems, die über die Jahre wie Pilze aus dem Boden schossen, sich gegenseitig das Geschäft kaputt machen?

Nosliw: Da trennt sich halt die Spreu vom Weizen. Und die Mitläufer von den echten Fans. Da wurden auch viele Erwartungen übersteigert. Ich kann nicht das machen, was erwartet wird, sondern ich muss das machen, was ich will. Die harten Fans verstehen das und sind aber immer noch geblieben und ich habe da keine Sorgen, dass sie es irgendwann nicht mehr tun.

fxaz: Welche Künstler haben dich neben Reggae am meisten beeinflusst?

Nosliw: Der Musiker, der mich am meisten beeinflusst hat, war Prince. Das hört mich gar nicht. Er hat mich am meisten geflasht, vom Songwriting her, von den Texten, er hat seine Chöre alle selber gesungen, das hat mich wirklich beeinflusst. Auch Aretha Franklin, Ray Charles, Stevie Wonder, die ganzen Black Music-, R‘n‘B-Künstler. Ich würde nicht sagen, dass ich so klingen wollte wie die, aber sie haben mich in die richtige Richtung gebracht.

fxaz: Was hat dich inspiriert, wenn du dich hinsetzt und ein Stück schreibst?

Nosliw: Das Leben um mich herum. Ein Aufreger. Glück. Alltag. Politik. Liebe. Szene. Das alles sind inhaltliche Ausgangspunkte. Daraus muss dann aber erstmal ein gutes Stück werden. Eins, das unterhält.

fxaz: Du hast Inspirationsquelle auch ganz selbstverständlich die Politik genannt, das ist nicht für jeden Künstler so.

Nosliw: Ja, die gehört doch wohl zum Leben unbestreitbar dazu. Und da es nicht nur die Frage ist, dass jemand etwas sagt, sondern auch wie er das tut, bietet mir die Musik natürlich einen ganz speziellen Transportweg, wie aktuell bei dem Stück „Maulauf.“ Viel zu wenige machen hierzulande von ihrer Stimme gebrauch, ich habe wenigstens ein Mikrophon. Wobei ich dabei nicht der Typ bin, der mit konkreten Antworten um sich schmeißt. Die muss jeder selber finden. Aber ich bin gut darin, andere anzuschubsen, zum Nachdenken anzuregen. Eindeutige Denkanstösse, die haben noch niemandem geschadet.

fxaz: Du trittst mal mit Soundsystem und dann wieder mit kompletter Band auf. Kannst du dich nicht entscheiden oder willst du dich nicht entscheiden?

Nosliw: Auf der Bühne fühle ich mich extrem wohl, da bekomme ich ein ungefiltertes, direktes Feedback auf meine Arbeit und bin der absolute Herr der Lage. Das ist halt das Wunderbare daran als Reggaekünstler aufzutreten. Wenn der Veranstalter nicht das Budget hat, eine ganze Band zu finanzieren, komm ich und das Soundsystem legt meine Riddims auf Ich brauche aber unbedingt Beides, Soundsystem-Shows und Konzerte mit Band. Also die große Bühne ebenso wie den Miniclub.

fxaz: Du bist vom HipHop zum Reggae gekommen. Wirst du musikalisch weiterziehen?

Nosliw: Reggae ist meine Heimat, aber ich werde definitiv in Zukunft auch mal ein Album einer anderen Musikrichtung widmen.

fxaz: Ist „Heiss & Laut“ nicht nur der Titel deiner aktuellen CD, sondern auch ein Versprechen ans Publikum bei deiner laufenden Tour?

Nosliw: Unbedingt. Und eins will ich gleich klarstellen, ich halte meine Versprechen. Das heißt, Klamotten zum Wechseln sollten zur Standardausrüstung für ein Nosliw-Konzert gehören. Und empfindliche Ohren sollte man auch nicht haben. Ich handle stets nach der Devise, zieh die Regler hoch. Aber zum Schluss muss ich noch loswerden, dass ich nicht allein auf Tour bin. Ich habe mir fürs Vorprogramm einen grandiosen Solo-Reggae-Künstler angelacht, Rojah Phad Full.
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